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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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betagten Kneipenhäschen in den Hintern kniff.
    Und ich, ich hatte die Arme schon so fest um das Glas geschnürt, als wollte ich einen Riesen zu Fall bringen, war in die Knie gegangen, um mir den Rücken nicht zu ruinieren, und hob das Ding jetzt hoch! Ich hob es hoch, als sei ich Teilnehmer irgendeiner olympischen Disziplin … hob es runter von der Bar. Und dort, wo es gestanden hatte, hatte das Mahagoniholz einen vollkommen anderen Farbton und ein großer dicker Ring aus Staub hatte sich um die Stellegebildet. Und da war Leland und grinste mich begeistert an, klatschte in die Hände, während die Eier geradezu obszön im Glas herumschwappten, und dann löste er sich von dem Jukebox-Chor, immer noch lauthals singend, und wir stolperten aus der Tür und in die Nacht hinaus, zwei Eierdiebe, die wie verrückt vor sich hin kicherten, verrückt und albern und mit unendlich gebrochenen Herzen. Und im nächsten Moment waren wir auch schon verschwunden, hinein in die neblige Nacht von Wisconsin, ohne Ziel und Zuflucht, mit einem riesigen Glas voll eingelegter Eier.
    »Und was jetzt?«, fragte ich, während ich nach Atem ringend weiterstolperte und mir das Glas beinahe entglitt. Lee versuchte, es festzuhalten, mir dabei zu helfen, es wieder besser zu fassen zu kriegen. Wir liefen so schnell wir konnten die Hauptstraße hinunter, weg vom VFW und in Richtung der paar hundert Häuser, die es in Little Wing gab und von denen die meisten nun dunkel waren. Nur in ein paar Fenstern flimmerte noch das blaue Licht eines Fernsehers, vor dem irgendjemand eingeschlafen war, in einem abgewetzten Lehnstuhl und mit hochgelegten Füßen.
    »Ich weiß auch nicht«, sagte Lee. »Aber ich will grad nicht zu viel darüber nachdenken.«
    Wir überquerten die Hauptstraße und trotteten die Elm Street hinunter, wo es schon seit ziemlich vielen Jahren keine Ulmen mehr gab, abgesehen von ein paar hartnäckigen Baumstümpfen, die erst noch vollständig verrotten mussten. Es war schon viele Jahrzehnte her, dass eine Krankheit alle Ulmen entlang der Straßen von Little Wing ausgelöscht hatte. Lee blieb einen Moment lang stehen, hob den Glasdeckel von dem Behälter und warf ihn in den Vorgarten eines der Häuser, neben denen wir standen.
    »Los!«, befahl er. »Schnapp dir ein Ei.«
    »Jetzt mal langsam, halt, halt! Das ist doch jetzt die Gelegenheit, um die Dinger zu zählen«, nuschelte ich, während ich immer noch das Glas festhielt. Ich war plötzlich sehr betrunken. »Scheiße«, sagte ich dann. »Äh, ich setz das Ding mal ab, okay?«
    »In deinem Zustand kannst du doch nicht mehr zählen«, sagte Lee.
    »Ich kann immer noch besser zählen als du.«
    »Jetzt hör auf mich und hol dir einfach ein Ei da raus, okay? Schnapp dir eins, so lange sie noch warm sind.«
    »Das ist echt bescheuert.«
    Er lachte und wies mit dem Finger auf mich. »Aber es ist kein Trauerspiel , oder?«
    Ich setzte das Glas ab, steckte meinen Arm in das Meer aus eingelegten Eiern und grapschte mir vier von den schlüpfrigen Dingern.
    »Stimmt’s?«, beharrte er.
    Ich zog meine Hand aus dem Glas und sie glänzte im Dämmerlicht der Nacht, als hätte man sie lackiert.
    »Das war eine saublöde Idee«, sagte ich. »Wir hätten diese stinkenden Eier nicht klauen sollen.«
    »Schmeiß eins auf das Auto da drüben.«
    »Das ist Eddys Auto«, sagte ich. »Ich kann doch kein Ei auf Eddys Auto werfen. Er ist unser Freund.«
    »Ach ja? Aber wenn hier jemand gut versichert ist, dann er. Wenigstens heutzutage.«
    Lee hörte auf zu reden, nahm mir eines der Eier ab, wog es prüfend in der Hand, strich über die gepökelte, klamme, graue Haut, holte aus und pfefferte es dann mit aller Kraft auf Eddys Ford Taurus.
    Das Ei spritzte zwar nicht auseinander, aber es war nahedran. Mit einem lauten Knall prallte es auf den amerikanischen Stahl der Fahrertür und drückte eine Delle ins Metall. Lee lachte. Anscheinend war es nicht sehr schwer gewesen, das Ei zu werfen, es wog nicht viel und hatte eine Form, die sich perfekt dazu eignete, es mit Daumen, Mittel- und Zeigefinger zu greifen und dann hinaus in die Nacht zu schleudern. In diesem Augenblick tauchten am anderen Ende der Straße zwei Scheinwerfer auf, die über den nassen Asphalt gleitend auf uns zukamen.
    »Versteck dich da hinter dem Baum«, zischte Lee und hievte sich das Glas auf die Hüfte. Seine Hose war von der Lake vollkommen durchtränkt und wir stanken nun beide ganz fürchterlich. Wir hechteten hinter ein paar junge

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