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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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Händen und schob ihn zu der Bar und den Tänzerinnen, wo er mit offenem Mund dastand und auf ihr festes Fleisch und ihre sonnengebräunten Körper starrte. Sie waren attraktiv, auf eine Weise, wie es einem heutzutage immer öfter begegnet: Sie hatten künstlich nachgeholfen und machten nicht den geringsten Hehl daraus. Die Narben ihrer Schönheits-OPs zogen sich als dunkle Striche unter ihren Brüsten entlang und ihr Blick, der über uns alle hinwegging, war zugleich voller Energie und unendlich gelangweilt.Ich erkannte, dass Ronny in ihren Augen vollkommen normal wirken musste und dass sie ihn vielleicht sogar attraktiv fanden. Vor seinem Unfall war er unser Ballkönig gewesen und hatte immer die schönsten Mädchen des Ortes ausgeführt. Selbst heute war sein Körper noch rodeogestählt, sein scharf gemeißeltes Gesicht von spröder Schönheit. Er schaute die Tänzerinnen an und ich konnte sehen, dass er sich an irgendeine Zeit aus seinem Leben zurückerinnerte, an irgendeinen Ort im Westen, wo er vielleicht für ein, zwei Nächte verliebt gewesen war. Das Magic Motel in Butte oder Billings oder Bozeman. Manchmal vergaß man viel zu leicht, dass Ronny nach wie vor ein Mann war, ein Mann mit gewissen Bedürfnissen.
    Also zog ich mich an den Rand der Party zurück und beobachtete ihn aus der Ferne, wie er zu den tanzenden Frauen hinaufstarrte und seine Finger sich gelegentlich nach ihren gebräunten Waden oder ihren lackierten Zehennägeln ausstreckten, nach ihren geschmeidigen Fesseln.
    Als Kip und Lee endlich im Clubhaus ankamen, ging die Sonne bereits unter. Ihre Gesichter waren verbrannt, ihre Haare vom Wind zerwühlt und sie warfen einander finstere Blicke zu. Dann gingen sie zu den entgegengesetzten Enden der Bar, ignorierten die nackten Frauen, die über ihren Köpfen tanzten, und ich beobachtete, wie beide sich etwas bestellten, das wie Whiskey aussah. Kaum hatten sie sich den Inhalt ihrer Gläser die Kehle hinuntergeschüttet, bestellten sie schon Nachschub. Ihre Augen waren voller Wut. Nachdem Lee sich ein drittes Glas bestellt hatte, verließ er schließlich die Bar und ließ sich neben mir auf einen Stuhl fallen.
    »Dieser miese Wichser hat mich gezwungen, jedes verdammte Loch zu spielen«, sagte er. »Alle sechsunddreißig. Einscheiß Todesmarsch war das.« Die Eiswürfel schwappten träge in seinem Glas, als schwömmen sie in Benzin. »Der hat mich total fertiggemacht! An jedem Loch. Und das nicht nur um einen oder zwei Schläge. Das waren sechs oder sieben. Jedes Mal. Ich hab nie auch nur eine zweite Chance bekommen, so was war überhaupt nicht drin. Ich musste alles genau zählen. Und dann hat er sich auch noch die ganze Zeit über mich lustig gemacht. Arschloch.« Lee warf Kip, der noch an der Bar stand, einen grimmigen Blick zu.
    »Lee, komm mal runter«, sagte ich. »Morgen müssen wir alle wieder Freunde sein.«
    Mein Blick war immer noch auf Ronny an der Bar geheftet. Er hielt gerade einen einzelnen Dollarschein in die Luft, wie eine Fackel. Eine der Frauen ließ sich den Schein zwischen die Brüste stecken und ich konnte sehen, wie er seufzte. Es wirkte fast ekstatisch. Der Rest der Hochzeitsparty hatte sich ein wenig von der Bar zurückgezogen und schaute ihm nun ebenfalls zu. Oder versorgte ihn mit Eindollarscheinen.
    »Mieser Wichser!«, sagte Lee. »Echt! Der soll mich mal am Arsch lecken. Ich krieg manchmal zehntausend Dollar, nur damit ich irgendwo auftauche und ein einziges verdammtes Lied spiele. Und das Arschloch wagt es, mich so zu behandeln. Scheiße.«
    Dann verstummte er, und ich schwieg ebenfalls, während seine Worte noch in der Luft hingen, wie eine Rauchwolke, die sich nicht vertreiben ließ. Ich hatte ihn noch nie solche Sachen sagen hören, hatte ihn überhaupt noch nie über Geld reden hören. Er ballte die Fäuste in seinem Schoß und öffnete sie wieder und strich sich dann die Haare glatt.
    »Tut mir leid, Mann«, sagte er. »Das war grad echt miesvon mir. Heute ist schließlich sein großer Tag. Was macht es schon, dass er mich beim Golfen in die Pfanne gehauen hat. Ich spiele ja nie Golf. Das ist doch nur eine scheiß Yuppie-Methode, spazieren zu gehen.«
    Wir saßen eine Weile so da und es gab nichts, was ich hätte sagen können. Es war für mich und die Farm ein schwieriges Jahr gewesen. Niedrige Milchpreise bei zugleich halsabschneiderisch hohen Diesel- und Düngerpreisen. Dann hatte ich noch vor kurzem meinen Mähdrescher ersetzen und schließlich auch noch

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