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Shotgun Lovesongs

Shotgun Lovesongs

Titel: Shotgun Lovesongs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nickolas Butler
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sagen sollten.
    »Also«, sagte Henry, und ich wusste, das war seine Art zu fragen, was es mit meiner Scheidung auf sich hatte.
    »Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung, was passiert ist. Es war nichts Dramatisches. Wir hatten einfach nur – Scheiße, wir hätten gar nicht erst heiraten dürfen. Verstehst du? Du und Beth. Ihr beide habt den Dreh raus. Ich weiß auch nicht. Ich habe keine Ahnung, wie ihr das überhaupt schafft.«
    Wir schwiegen einen Moment und schauten auf die Straße.
    »Und was jetzt?«
    Ich zuckte mit den Schultern und schaute aus dem Fenster: eine Senke voller rostiger Traktoren und verschrotteter Pick-ups, ein von Felswänden umrissener Hügelkamm, uralte Eichen, die mit Stacheldraht verbunden waren. »Ich schätze, jetzt bin ich erst mal hier. Ich schätze, ich bin ein geschiedener Mann. Nein, Verzeihung. Ich lasse mich scheiden. Lebe getrennt. Wir leben getrennt.«
    »Tja, Beth und mir, uns tut’s schrecklich leid für euch. Wir mochten Chloe. Ich mochte Chloe.«
    »Das tun anscheinend sehr viele Männer.«
    »Lee.«
    »Nein, echt, das ist die volle Wahrheit.«
    »Ich weiß nicht. Ich weiß nicht, was ich sagen soll.«
    Wir fuhren schweigend weiter. Dort drüben war eine Herde von Kühen, die in einer niedlichen, geraden Reihe brav zu einer roten Scheune trotteten. Und da hinten, weit entfernt am Horizont, fuhr ein Heißluftballon durch die Luft, der so gelb war wie das Nummernschild von New Mexico.
    »Wollen wir uns betrinken?«
    Henry drehte sich zu mir und nickte dann langsam mit dem Kopf, als bräuchte er ein wenig Zeit, um über diese Frage nachzudenken. »Ich glaube, ich hätte schonLust, mich zu betrinken. Ja. Jetzt, wo du es sagst. Auf jeden Fall. Aber bist du sicher, dass das jetzt das Richtige für dich ist?«
    »Es kann auf keinen Fall schaden.«
    Wir hielten an einer Spirituosenhandlung und ich kaufte so viele Kästen Bier, so viele Weinkisten und sonstigen Alkohol, dass der alte Mann, dem der Laden gehörte, uns ein Rollwägelchen lieh, mit dem wir das Ganze besser zum Wagen transportieren konnten. Wir liefen hin und her, Henry hielt mir die Tür auf, während ich mit dem Wägelchen raus und rein fuhr und den Alkohol auf der Ladefläche von Henrys Pick-up verstaute.
    »Denkst du, das reicht jetzt?«, fragte ich Henry an der Kasse und zwinkerte ihm zu.
    »Ich weiß nicht«, sagte Henry. »Vielleicht nicht.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Wir nehmen noch drei Kästen Leinenkugel’s.«
    Der alte Mann blinkte mehrfach hinter seiner dicken Brille, bevor er die drei Kästen zu unserer Rechnung addierte. Der Kassenzettel, der sich aus der Kasse spulte, wurde länger und länger und sah nun fast so aus wie eine winzige Schriftrolle.
    »Feiert ihr ’ne Party?«, fragte der alte Mann und spähte über seine Brille hinweg zu mir hoch.
    »Eine Willkommen-daheim-Party«, sagte ich, lächelte und legte zehn Hundertdollarscheine auf den Ladentisch.
    Nachdem wir an meinem Haus angekommen waren, luden wir den Alkohol und die übrigen Einkäufe aus dem Pickup. In meiner Garage steht ein alter Kühlschrank von General Electric. Den füllten wir bis obenhin mit Bier. Dann füllten wir die Küchenvorräte wieder auf, bis die Vorratskammervon Frühstücksflocken, Kräckern, Chips, Olivenöl, Pasta und Nudelsoße nur so überquoll.
    »Ich sollte Beth mal anrufen und sie wissen lassen, wo ich bin«, sagte Henry. »Kann ich dein Telefon benutzen?«
    Ich winkte zustimmend mit der Hand. »Lad sie doch einfach auch ein. Sag ihr, sie soll die Kinder mitbringen.«
    »Bist du sicher?«
    Ich hob die Schultern, ließ sie dann wieder fallen. Während ich aus dem Fenster schaute, fühlte ich mich plötzlich wie ein sehr alter Truck, dessen Kilometerzähler nicht mehr weiß, wie viel Meilen er gelaufen ist. Ich verspürte das unbändige Bedürfnis, mich zu betrinken und dann bis in alle Ewigkeit betrunken zu bleiben. Ich hatte Angst vor dem nächsten Tag und dem Tag darauf, Angst vor der Vorstellung, allein zu sein und an Henry und seine Familie zu denken. Mir Henry und Beth im Bett vorzustellen. Wie sie sich berühren, sich küssen. Wie sie einfach nur zusammen sind. Wie sie ihm die Zeitung vorliest. Wie er ihr die Fußnägel lackiert.
    »Warum nicht?«
    »Okay, ich schau mal, was sie dazu sagt. Ich weiß es grad nicht mehr. Vielleicht muss ja eins der Kinder zum Training. Ich kann mir das einfach nicht merken.«
    »Kinder«, sagte ich. »Kinder.« Ich fragte mich, wie das wohl sein mochte, Vater zu

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