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Showalter Gena-Die Botschaft

Showalter Gena-Die Botschaft

Titel: Showalter Gena-Die Botschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gena Showalter
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Ein Mädchen stand auf dem Balkon vor ihrem Fenster und starrte sie aus violetten Augen an. Noch andere Details fielen ihr auf. Ein Schwall schwarzer Haare, der sehnsüchtige Blick einer jungen Frau, die bereit war, sich zu verlieben, zufrieden mit ihrem Leben und gleichzeitig unglücklich.
    Wie lange stand das Mädchen schon da und beobachtete sie? Hatte es bemerkt, welche Szene auf der Leinwand abgebildet war? So wie die Fragen Harpers Gedanken füllten, füllte sich ihr Bauch mit Wut. Diese Spannerei musste aufhören. Sofort.
    Sie ließ ihren Pinsel los, hörte, wie er auf die Plastikplane fiel, mit der sie den Boden abdeckte, und stapfte zum Fenster.
    Als sie die Fensterscheibe hochgeschoben hatte, war das Mädchen verschwunden. Kalte feuchte Luft wehte in den Raum und brachte den Duft nach Gewürzen und frisch gemähtem Gras mit. Beides reichte nicht aus, um sie zu beruhigen. Ihre Wut wuchs nur noch weiter.
    Harper biss die Zähne zusammen, während sie die Scheibe wieder herunterschob und den Riegel vorlegte. Sie schloss die Vorhänge und achtete dabei darauf, den Saum umzuschlagen, damit auch nicht der kleinste Spalt entstehen konnte. Dann stand sie einige Minuten lang einfach nur da. Sie wusste, dass sie nur Zeit schindete, wusste, dass sie sich bald umdrehen und sich noch einmal der Wahrheit stellen musste. Vielleicht war dieses Mal das letzte. Vielleicht hatte sie dieses Mal das Gemälde vollendet, und alle Antworten fielen an ihren Platz.
    Vielleicht.
    Aber hoffentlich nicht.
    So sehr sie es wissen wollte, wollte sie es auch wieder nicht wissen.
    „Ich kann das“, murmelte sie leise. Langsam, ganz langsam, drehte sie sich aufden Fersen um. Sie atmete tief ein, tief wieder aus, und hob den Blick.
    Und da war es, ihr Gemälde. Die Deckenleuchte schien einen Scheinwerfer auf die Leinwand zu richten, und … Nein, nein, nein! Sie war noch nicht fertig, der Mann hatte noch kein Gesicht, aber die Frau hatte sie vollendet.
    Lana war die Frau auf der Metallplatte, und eine blutige Klinge war auf ihr Herz gerichtet.
    Lana. Ihre Lana.
    Nein, nein, nein ! Das war unmöglich. Das konnte nicht sein. Lana hätte ihr erzählt, wenn sie einen solchen Albtraum durchgemacht hätte und daraus irgendwie entkommen war. Lana war am Leben, und genau wie sie selbst war sie nie mit Verletzungen nach Hause gekommen.
    Woher willst du das wissen? Du hast Blackouts, dir fehlen Zeitspannen. Was, wenn ihre Verletzungen während einer deiner Blackouts verheilt sind, hm?
    Nein, nein, nein, dachte sie wieder. Die Panik stieg weiter an …
    Vielleicht irrte sie sich. Vielleicht sah die Frau Lana nur sehr ähnlich. Aber knallrot gefärbtes Haar fiel über schlanke Schultern – und wie viele Frauen hatten schon solche Haare? Lange schwarze Wimpern warfen Schatten auf hohle Wangen. Eine perfekt geschwungene Nase, rote wunde Lippen, aufgebissen vor Sorge.
    Obwohl Harper alle Schnitte und Quetschungen übermalt hatte, obwohl die Haut der Frau zart und cremig war, ergoss sich Blut aus ihrem Hals, ihren Handgelenken, ihrem Bauch, ihren Beinen, ihren Füßen. Blut war an alle Wände gespritzt und sammelte sich in Lachen auf dem Boden.
    Blut.
    Lanas Blut.
    Lanas. Blut.
    Wenn das wirklich Lana war – nein, nein, nein, das durfte nicht sein … durfte einfach nicht –, wie konnte Harper wissen, was man ihr angetan hatte? Lana hatte es ihr nicht erzählt. Oder … was, wenn Lana es ihr doch erzählt hatte, Harper die Erinnerung daran aber verdrängt hatte, wie sie zunächst befürchtet hatte?
    Würgend rannte sie ins Badezimmer, und die Gedanken rasten durch ihren Kopf. Jedes Mal, wenn Lana das Gemälde betrachtet hatte, war sie blass geworden und hatte sich die Hand auf den Bauch gelegt. Beim ersten Mal hatte sie sich erbrechen müssen. Könnte sie ebenfalls die Erinnerungen verdrängt haben, nachdem sie ihr davon erzählt hatte? Erkannte etwas in ihr den Schmerz, den sie hatte durchleiden müssen?
    Mit zitternden Händen putzte Harper sich die Zähne und spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht. „Du musst sie fragen“, sagte sie zu ihrem Spiegelbild. „Du musst die Wahrheit herausfinden. Für euch beide. “
    Entschlossen ging sie den Flur hinab. Sie hatte wieder vergessen, das Licht dort auszuschalten – entweder das, oder sie hatte es während ihres Blackouts wieder eingeschaltet.
    Sie stand vor Lanas Schlafzimmertür. Ihre Hand fing noch stärker zu zittern an, als sie die Finger um den Türknauf legte und ihn drehte. Das Flurlicht fiel

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