Showdown
werden in die Billionen gehen. Ob die Bevölkerung dazu bereit ist, sei mit Blick auf die Diskussionen um den deutschen Länderfinanzausgleich einmal mehr in Frage gestellt. Immerhin würden wir im europäischen Einigungsprozess über eine XXL -Variante des Finanzausgleichs sprechen.
Vielleicht fragen Sie sich, wieso wir denn überhaupt Transferzahlungen leisten sollen. Wieso soll nicht jeder alleine für sich selbst verantwortlich sein?
Europäische Werte
E s ist ein elementarer Kern unseres europäischen Wertesystems, dass der Stärkere dem Schwächeren hilft. Diese Solidarität ist eine der wichtigsten Errungenschaften der europäischen Völker und hebt uns in wohltuender Weise von den meisten anderen Weltmächten ab. Das humanistische Weltbild Europas, dessen grundlegende Erkenntnis darin liegt, dass es mir bessergeht, wenn es auch meinem Nachbarn zumindest nicht schlecht geht, ist der Garant für sozialen und militärischen Frieden, und es ist die Grundlage für ein Zusammenwirken von Menschen in dieselbe Richtung.
Es ist dieser Humanismus, der seinen Ursprung in der Antike hat und sich bis heute in keiner anderen Region der Welt so fortentwickelt hat, wie in unserem heutigen Europa zu beobachten ist. Schon die erste Grundstufe des Humanismus erklärt den Zusammenhang:
Das Glück und Wohlergehen des einzelnen Menschen und der Gesellschaft bilden den höchsten Wert, an dem sich jedes Handeln orientieren soll.
Aber auch weitere Grundlagen dieser alten Idee der Menschheit haben nirgendwo sonst eine solche Entwicklung genommen wie in Europa:
Die Würde des Menschen, seine Persönlichkeit und sein Leben müssen respektiert werden.
Der Mensch hat die Fähigkeit, sich zu bilden und weiterzuentwickeln.
Die schöpferischen Kräfte des Menschen sollen sich entfalten können.
Die menschliche Gesellschaft soll in einer fortschreitenden Höherentwicklung die Würde und Freiheit des einzelnen Menschen gewährleisten.
Denken wir an die USA , wo ein gesellschaftlicher Konsens ganz anderer Art herrscht. Hier bemüht sich jeder, einen möglichst großen Bissen vom Apfel abzubeißen. Wer kräftiger zubeißt, hat eben mehr. Wenn er gütig ist, lässt er per »Charity« ein paar Brosamen fallen, um sein Gewissen zu beruhigen. Wer nicht kräftig zubeißt, weil er nicht will oder kann, hat eben Pech gehabt. Die aus europäischer Sicht unverständliche aggressive Stimmung gegen eine staatliche Krankenversicherung für die Ärmsten der Armen sei hier beispielhaft genannt. Wenn jeder an sich selbst denkt, ist am Ende auch an alle gedacht.
In China geht es keineswegs besser zu, ganz im Gegenteil. Der Einzelne zählt nichts, beim Einsteigen in den Bus wird wild um sich geschubst und geboxt, und wer so dumm ist, eine Lücke zu lassen, ist selbst schuld, wenn sich ein anderer reindrängt. Das steht sinnbildlich für ein ganzes Gesellschaftsmodell. Auch in Indien hat niemand ein Problem damit, einen protzigen Palast direkt neben ein Slumviertel zu bauen. Jeder ist sich selbst der Nächste, und was gehen mich die anderen an. Spricht man hinsichtlich Amerikas von einer Ellbogengesellschaft, hat man in vielen Ländern Asiens noch Dornen an die Ellbogen geschnallt.
Dieser humanistische Gerechtigkeitsgedanke ist auch der Grund, warum es in Europa als unanständig gilt zu protzen. Über Geld spricht man nicht. Reichtum hat dezent stattzufinden. Ein zu großes Auto wird mit Argwohn gesehen. Warum? Nicht, weil ein anderer ein größeres Auto hat als man selbst. Es wird erst dann in Frage gestellt, wenn es vermeintlich
zu
groß ist. Wenn der Unterschied zwischen dem Durchschnitt und dem da oben zu groß ist, dann kommt ein Gefühl der Ungerechtigkeit auf. Oft nennen wir dieses Gefühl Neid. Der gesellschaftliche Konsens ist in Frage gestellt. Und dieser gesellschaftliche Konsens ist wichtig für die weitere Entwicklung.
Die Grundfrage des Humanismus ist seit der Antike die Frage: Was ist der Mensch? Was ist sein wahres Wesen? Wie kann der Mensch dem Menschen ein Mensch sein?
Sollten wir da nicht stolz darauf sein, welche Entwicklung die Menschlichkeit – das Mensch-Sein – in Europa genommen hat?
Und ja, ein wesentlicher Punkt darin ist es eben, dem Schwächeren beizustehen. Das bedeutet längst keine kommunistische Gleichmacherei. Man soll nicht von einem Extrem ins andere fallen, sondern wie so oft den goldenen Mittelweg suchen. Jeder soll sich frei entfalten können und für seine Arbeit und Leistung entlohnt werden. Das Streben des
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