Showman
zurecht. Danach packte sie ihren Rucksack und betrat die kleine Küche, um ihn dort zu leeren.
Die mit Spezialitäten gefüllten Dosen stellte sie nicht in den Kühlschrank, ebensowenig wie die beiden Flaschen Rotwein. Das Fladenbrot brauchte ebenfalls nicht kühl gehalten zu werden, dafür aber die Butter und der Schinken, der schon geschnitten war.
Ein kleines Fenster gestattete den Blick auf andere Dächer. Noch war es nicht völlig dunkel geworden, aber die Dämmerung kroch bereits in die Häuserschluchten hinein und sorgte dafür, daß die normalen Farben verschwanden.
Was brauche ich jetzt?, fragte sich Doris. Erstens etwas Ruhe. Die kann ich mir gönnen. Zum zweiten eine Zigarette. Das ist auch kein Problem.
Zum dritten einen Drink. Auch das würde sich machen lassen, und die Frau zog die Kühlschranktür auf, denn dort hatte sie noch eine halbvolle Flasche Rose gesehen. Doris nahm die kühle Flasche heraus und entkorkte sie. Ein Glas hatte sie ebenfalls schnell zur Hand, aber in der Küche wollte sie nicht trinken. Zur Wohnung gehörten noch ein Bad – und der große Raum, der als Atelier, Wohn- und Schlafzimmer diente.
Dieser große Raum, es war der mit dem Dreieckfenster, zeigte nach Süden.
In dessen Nähe stand auch Stevens Zeichenbrett sowie der Computer, denn auch als Comic-Künstler konnte er darauf nicht mehr verzichten. Er arbeitete mit beiden Dingen, so kam er bei der älteren Methode nicht aus der Übung.
Einen Teppichboden gab es in dem Raum nicht. Dafür alte Bohlen, die Steven rötlich gestrichen hatte. War das Licht dunkler, konnte man den Eindruck haben, über getrocknetes Blut zu laufen, so ähnlich wirkte diese Farbe dann.
Der andere Teil des Raumes war der Wohn- und Schlafbereich, wo die Regalmöbel standen, die Musikanlage und auch die kleine Bar. Den Drink hatte Doris schon genommen. Sie schüttete noch einmal nach und ließ sich in einen der Sessel fallen, in dem sie mehr lag als saß, die aber ungemein bequem waren.
Sie konnte die Beine ausstrecken, die Fernbedienung lag ebenso in greifbarer Nähe wie das Handy.
Leichte Kopfschmerzen spürte sie hinter der Stirn. Auf die Zigarette verzichtete sie ebenso wie auf das Schauen in die Glotze. Einige Minuten Entspannung würden ihr guttun. Das Licht hatte sie noch nicht eingeschaltet, sie wollte durch das Fenster schauen und mitbekommen, wie es allmählich dunkler wurde. Dabei war es durchaus möglich, daß sie plötzlich einschlief. Es wäre nicht das erste Mal gewesen.
Die Ruhe tat nach der Hektik des Tages gut. Ihr Freund hatte sich wirklich eine ideale Wohnung ausgesucht, denn die Veränderungen hinter dem Fenster liefen für den Betrachter immer wieder ab wie ein Film. So konnte sie zuschauen, wie in zahlreichen Wohnungen die Lampen eingeschaltet wurden. Die Lichter machten aus den Fenstern helle Augen. Es war ein Bild der Ruhe und Entspannung, einfach sanft, mild und schön. Doris kam sich vor, als hätte sie aus dem normalen hektischen Leben auf eine Insel gewechselt, die irgendwo zwischen Traum und Wirklichkeit schwamm. Dennoch wollte sie eine große Ruhe oder Entspannung nicht überkommen. Da gab es irgend etwas, das sie störte. Sie konnte nicht genau sagen, was es war, zumindest ein Gefühl, das sich in ihrem Innern ausgebreitet hatte und sie nicht zur Ruhe kommen ließ.
Sie war nervös.
Ein Schluck Wein. Er schmeckte etwas metallisch, aber nicht schlecht.
Dann doch die Zigarette. Sie lagen in einem kleinen Kasten aus Holz, ebenfalls greifbar. Ein Feuerzeug stand auch in der Nähe. Doris zündete das Stäbchen an, blies die ersten Rauchwolken aus und schaute zu, wie sie sich verteilten. Wie Nebel schwebten sie vor ihr. Ein Standascher nahm die Asche der Zigarette auf, der Wein schwankte im Glas, als Doris es bewegte, obwohl sie es nicht gewollt hatte. Es lag tatsächlich an der Nervosität. Sie wunderte sich darüber, daß sie sich trotz dieser wirklich angenehmen Atmosphäre einfach nicht wohl fühlte.
An was mochte das liegen?
Sie schaute zur Decke. Grau schwebte sie über ihr. Vom Fenster fiel auch kein Licht mehr in den Raum. Der Himmel zeigte sich düster, schon bedrohlich.
Doris fing an zu frieren, was sicherlich nicht am kühlen Wein lag. Sie drückte die Zigarette aus, stellte das Glas ab und rieb sich die Schultern.
Wärme, sie brauchte Wärme. Alles andere interessierte im Moment nicht.
Die innere Kühle ließ sich nicht vertreiben. Es war ein Druck, wie sie ihn selten oder noch nie erlebt hatte. So
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