Showman
oder vielmehr das, was von ihnen übriggeblieben war. Rötlich, blaß und böse, aber ohne Brauen, nicht mal Reste waren vorhanden.
Die Hautreste, die das Gesicht noch umspannten, wirkten dünn wie Seidenpapier und schienen jeden Augenblick zu reißen.
Das geschah auch dann, als sich der Schädel in der Nähe des Mundes veränderte, denn Lippen, die nicht mehr vorhanden waren und ebenfalls nur aus Haut bestanden, zogen sich in die Breite, so daß die beiden gelblichen Zahnreihen sichtbar wurden.
Es war kein normales Grinsen, das sah Doris sofort. Es war ein widerliches, ein ekelhaftes Grinsen, das Grinsen eines Menschen, der auf lebende Beute lauerte.
Doris Carter stand vor dem Spiegel und wußte nicht, ob sie träumte oder dieses Bild in der Wirklichkeit erlebte. Das war so schlimm, zumindest empfand sie es so, obwohl sie von den Zeichnungen ihres Freundes einiges gewohnt war, aber dieser Schädel hier, der eigentlich hätte tot sein müssen, lebte.
Wie sonst hätte er so brutal grinsen können?
Sie starrte in die Augen, die Augen starrten zurück. Auch aus ihnen war jede Menschlichkeit verschwunden. Sie tasteten den Körper der Frau ab, die sich beinahe fühlte, als wäre sie nackt.
Doris zitterte.
Sie öffnete ihren Mund. Sie wollte schreien, die Nachbarn aufmerksam machen, aber das Bild im Spiegel lenkte sie wieder ab.
Aus dem Hintergrund – für sie sah es so aus – schob sich etwas hervor.
Dünn und grau, verbrannt wirkend, eine Klaue mit langen, braunen Fingern und dunkelgrauen, spitzen Nägeln.
Die entsetzte Frau hatte ihren Blick von dem Schädel abgewandt und konzentrierte sich auf die Klaue, die sich immer weiter vorschob und der vorderen Spiegelfläche näher kam.
Nicht nur das.
Sie fuhr hindurch.
Sie war plötzlich existent geworden, und sie drängte sich auf Doris Carter zu.
Wenn sie nicht stoppte, würde sie genau in ihr Gesicht fassen!
Doris kam nicht weg. Das schreckliche Bild und das damit verbundene Entsetzen hatten sie gelähmt.
Auf ihrem Platz blieb sie stehen, starrte gegen die Finger, die näher und näher kamen.
Der letzte Ruck.
Sie faßten sie an.
Spröde und weich zugleich, auf keinen Fall zärtlich, strichen sie über ihr Gesicht.
Das war zuviel für Doris Carter. Auf einmal war der Schwindel da, den sie jetzt nicht mehr stoppen konnte. Die Beine wurden ihr weggezogen, sie verlor den Halt und sackte vor dem Spiegel zusammen.
Ohnmächtig blieb sie auf dem Boden liegen.
***
Und so fand sie ihr Freund!
Steven Dancer hatte die Tür aufgeschlossen und wäre fast über den im Weg liegenden Körper gestolpert.
Er brauchte normalerweise kein Licht, die Helligkeit des Spiegels reichte ihm aus. In diesem Fall aber war alles anders geworden. Er sah Doris auf dem Boden liegen, zusammengekrümmt, ein Bein angezogen, das andere ausgestreckt. Er sah ihr Profil, und das Gesicht kam ihm so wachsbleich wie das einer Toten vor.
Tot?
Der Gedanke stach durch seine Brust. Ihm blutete das Herz, obwohl es so heftig schlug.
Seine Gedanken beschäftigten sich mit Doris, die auf ihn den Eindruck eines Gemäldes machte.
Das alles schaffte er aus seinem Gehirn weg, als er in die Knie ging und einen leisen Wehlaut ausstieß, bevor seine Hände das Gesicht der Frau umfaßten.
War es schon kalt?
Nein, er spürte noch die Wärme, er spürte das Leben und hätte vor Erleichterung beinahe geweint. Seine Augen schimmerten bereits feucht.
Er biß sich auf die Lippe, daß er sogar den Blutgeschmack spürte, aber das war ihm egal.
Es ging einzig und allein um Doris.
Er hatte sie angefaßt, er streichelte sie, er sprach ihren Namen, und er suchte dabei nach einer Verletzung, weil er damit rechnete, daß sie von einem Einbrecher niedergeschlagen worden war.
Eine Wunde konnte er nicht finden. Kein Blut im Haar. Nichts, das aufgeplatzt wäre. Alles war völlig normal, es war okay.
Seine Gedanken drehten sich auf der Stelle, und er schaute aus seiner knienden Haltung in den Spiegel, der sein Bild wiedergab. Doris war vor dem Spiegel zusammengebrochen, nicht weit von der Tür entfernt. Hatte der Spiegel damit etwas zu tun gehabt?
Vorstellen konnte er es sich nicht, aber letzte Zweifel blieben, denn Steven mußt auch daran denken, daß er sich bedroht gefühlt hatte. Das war ein Wesen aus dem Unsichtbaren gewesen. Seine Angst steigerte sich, als er seine Ahnungen mit Doris in einen Zusammenhang brachte.
Es wäre schrecklich gewesen, wenn…
Etwas strich über seinen rechten Handrücken hinweg
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