Showman
Dieser Ort war noch bis vor wenigen Stunden ein außergewöhnliches und gemütliches Heim gewesen. Das hatte sich nun radikal geändert. Sie mußten da durch, und sie würden in dieser Wohnung nie mehr so leben können wie vorher.
Das grauenhafte Bild verschwand allmählich vor ihren Augen. Als sie wieder den großen Raum betreten hatten, atmeten sie zum erstenmal auf. Doris ließ sich zitternd in ihren Sessel sinken und schlug die Hände vor ihr Gesicht.
Steven Dancer erging es um keinen Deut besser. Nur mußte er die Initiative ergreifen und John Sinclairs Nummer wählen. Er tat es und wunderte sich darüber, daß die Zahlen auf dem Handy nicht verschwammen. In diesen Momenten hatte er alle Gefühle zurückgedrängt und war innerlich eiskalt geworden.
Er hatte die Nummer von der kleinen Karte abgelesen und war froh, daß der Ruf durchkam. Nicht besetzt. Hoffentlich war Sinclair im Haus. Er wartete, biß sich auf die Lippen. Das dritte Läuten schon, dann das vierte.
»Verdammt, heb ab!«
Als hätte der Geisterjäger seine Worte gehört, meldete er sich plötzlich, und Steven hätte vor Freude beinahe geschrieen.
Ich war im Bad, und während ich meine Hände wusch, meldete sich das Telefon.
Es gibt ja Menschen, die waren sogar auf der Toilette noch mit einem derartigen Quälgeist ausgerüstet, doch zu denen gehörte ich nicht. Man kann auch alles übertreiben.
Ich wischte die Hände nur flüchtig ab und meldete mich im Wohnzimmer nach dem vierten Läuten.
Zu hören war ein seltsamer Laut, der auch von einem Tier hätte stammen können, doch es war ein Mensch, der dieses schon befreite Keuchen ausgestoßen hatte.
»Mr. Sinclair – endlich!«
»Bitte, Ihren Namen.«
»Ich bin es, Steven Dancer!«
Da schrillte es in meinem Kopf, als hätte jemand versucht, mit einer Säge an meiner Schädelplatte zu hantieren. Dieser Anruf bedeutete Alarmstufe eins.
Bei Steven Dancer brannte die Hütte, das stand für mich fest. Ich versuchte zunächst, ihn zu beruhigen, was ich aber nicht schaffte, denn er ließ mich nicht zu Wort kommen. Immer wieder sprach er dazwischen.
»Sie müssen kommen, sofort, jetzt, auf der Stelle. Wir haben Angst. Die andere Seite…«
»Was ist denn geschehen?« rief ich laut in den Hörer.
Meine Stimme mußte ihn wohl hart erwischt haben, denn er blieb erst einmal still.
Das heißt, ich hörte ihn noch atmen, und im Hintergrund vernahm ich die Stimme einer Frau, verstand aber nicht, was sie zu Steven sagte.
»Kommen Sie, Sir!«
»Ja, natürlich, aber…«
»Er ist wieder da!« schrie Steven. »Er und die anderen. Sie sind aus dem Jenseits zurück.«
»Die Gruppe Lived?«
»Ja – und der Showman. Ich habe sie gesehen. Wir haben sie gesehen. Hier in meiner Wohnung.«
»Okay, Steven, wir kommen so schnell wie möglich. Soll ich Ihnen zuvor Polizisten vorbeischicken?«
»Nein, nein, kommen Sie nur!«
»Geht klar. Ihre Anschrift habe ich ja.«
»Noch eins!« rief er. »Wir bleiben nicht in der Wohnung. Wir sind im Treppenhaus oder draußen, das ist sicherer.«
»Okay, wir kommen.«
Ich verwandelte mich innerhalb weniger Sekunden in eine menschliche Rakete. Dieser Anruf hatte mich alarmiert. Er war nicht grundlos erfolgt.
Da steckte mehr dahinter, wahrscheinlich sogar höchste Lebensgefahr, denn so verstellen konnte sich niemand.
Ich riß die Jacke vom Haken, hetzte aus der Wohnung und klingelte bei Suko Sturm.
Allein wollte ich nicht los. Mit einer Horrorgestalt wie dem Showman war nicht zu spaßen…
***
Das Handy rutschte Steven Dancer aus den Fingern, so schweißfeucht war es geworden. Er spürte den Blick seiner Freundin auf sich gerichtet und nickte.
»Kommt er?« fragte sie dennoch.
»Ja.«
Doris Carter war erleichtert. Tränen schimmerten in ihren Augen. Sie mußte sich an der Rückenlehne des Sessels abstützen und deutete einige Male ein Nicken an. »Ich war zu aufgeregt, Steven, und ich habe es nicht richtig mitbekommen, aber kann es sein, daß du dem Polizisten gesagt hast, daß wir ihn draußen erwarten?«
»Habe ich.«
»Dann laß uns gehen.«
Er nickte, aber sein Ruf hielt die Frau auf, die sich schon in Bewegung gesetzt hatte. »Nicht so schnell, Doris, bitte nicht so schnell. Wir müssen achtgeben.«
Dagegen hatte sie zwar nichts, aber Doris sah die Dinge anders. »Es ist doch besser, wenn wir durch den Flur rennen und hinauslaufen, als das wir langsam…«
»Machen wir ja auch. Aber keine Panik.«
»Okay.« Sie strich die Haare zurück. Ihre Brille
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