Showtime! (German Edition)
rannte kopflos in die falsche Richtung; versuchte sich selbst zu täuschen, indem sie sich vormachte, dass ein neues Leben mit Sabrina alles ändern würde. Verstellen würde sie sich ihretwegen, sich als jemand verkaufen, der sie nicht war, genauso, wie sie in ihre Rollen schlüpfte, um dahinter ihr wahres Ich zu verbergen. Jemand anders zu sein, das war die reinste Erholung, einmal nicht Georgia O'Connor zu sein, nicht mehr zu fühlen, was sie fühlte - leider nur so lange, bis sie die Rolle wieder ablegte wie einen schützenden Mantel, um dann erneut sich selbst ausgeliefert zu sein.
Eine feste Partnerin an ihrer Seite konnte ihr eine Gehhilfe sein, mehr nicht. Um aufrecht und aus eigener Kraft laufen zu können, ohne immer wieder ins Straucheln zu kommen, bedurfte es weit mehr. Sabrina konnte die Dinge nicht für sie klären. Das musste sie allein tun - und es auch wirklich wollen.
Erst danach konnte eine Beziehung wirklich funktionieren.
***
Sabrina dankte Georgia in Gedanken für ihre erfolgreichen Anregungen, als sie ihre neueste Kreation auf den Bügel hing und zutiefst befriedigt betrachtete.
Sie hatte dieses Hobby vor Jahren aufgegeben, weil sie von familiärer Seite keinerlei Unterstützung gefunden hatte. Ihre Mutter hatte ihr den letzten Rest Begeisterung genommen, als sie damals, als sie noch zur Schule ging, in selbstentworfenen und -genähten Hosen, Shirts und Blusen herumgelaufen war. «Mädel, ich will ja nichts sagen» - so fangen fast immer die grausamsten Ansagen an - «aber so kannst du unmöglich herumlaufen» hatte sie mitfühlend gesagt und vorgeschlagen, einkaufen zu gehen. Sie hatte von der aktuellen Mode überhaupt keine Ahnung.
Ihre Freundinnen hatten ihr allesamt Talent bestätigt und sich um ihre Stücke gerissen, doch dauerhafte Negativ-Kritik daheim über ihre ‚leider ungenügenden Schneiderinnen-Qualitäten' und eine zu ausgefallene Modevorstellung ließen die Träume von einer Designerkarriere bald verblassen. Selbst ihr Vater hatte ihr sachlich erklärt, die Modebranche sei wirtschaftlich gesehen ein heikler Markt mit ständigen Hochs und Tiefs, und überhaupt sei da viel zu viel Konkurrenz. Für ein solch hartes Geschäft sei sie überhaupt auch viel zu sensibel.
Die bereits angefangene Ausbildung brach sie schließlich zugunsten einer ‚bodenständigeren' Büroausbildung ab. Sie bereute diesen Schritt bis heute.
Statt nun des Abends, wenn sie allein war, ohne Georgia dröge dahin zu dümpeln und sich wie ein Hund ohne Schwanz zu fühlen, hatte sie sich aus einer Laune heraus hingesetzt und gezeichnet. Sich dann an ihre Nähmaschine gesetzt und eifrig losgelegt. Es fiel ihr noch ein wenig schwer, aber der entsprechende Kurs bei der Volkshochschule würde dem schon abhelfen.
Was sie schneiderte, konnte sich bereits sehen lassen. Das hatte vor allem Georgia gefunden, die sich für ungewöhnliche Kreationen maßlos begeistern konnte und keine Skrupel äußerte, sofort im Sommerfeld-Design auf die Straße zu gehen.
Sogar Carla, die nie hinterm Berg hielt, wenn ihr etwas missfiel, fand es großartig, dass sie ihrer wiederentdeckten Kreativität ungehemmt freien Lauf ließ.
Als Georgia heimkam, hätte sie ihr gern als erstes gezeigt, was sie geschaffen hatte, aber diese schien mit sich und der Welt schwer im Clinch zu liegen. Nach schwachem Hallo und einem nicht gerade als leidenschaftlich zu bezeichnendem Kuss verschwand sie im Bad, wo sie die nächste Stunde hinter verschlossener Tür verbrachte. Sie badete immer, wenn sie sich mies fühlte, sang melancholische australische und irische Lieder und lag im warmen Wasser, bis ihre Haut zu schrumpeln begann. Anschließend war sie meist wieder einigermaßen zu genießen.
«Möchtest du darüber reden?» fragte Sabrina zartfühlend an, als sie sich auf eine Zigarette zu ihr gesellte.
Georgia brauchte nichts zu erwidern. Auf ihrem Gesicht glaubte Sabrina deutlich die Worte: ‚Bist du wahnsinnig?!' zu lesen, was ja wohl Aussage genug war. Also schwiegen sie sich zunächst ausdauernd an, was gelegentlich vorkam. Sabrina wünschte sich in derartigen Situationen ein nettes, kuscheliges Haustier, dem sie ein paar freundliche Worte entgegenbringen und ihre Aufmerksamkeit widmen konnte, während Georgia in einem tristen Dunkel zu verweilen schien, fern jeder lebensbejahenden Aktivität.
Sie gähnte demonstrativ und sagte: «Ich gehe dann mal schlafen. Kommst du mit, oder hast du noch lange
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