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Shutdown

Shutdown

Titel: Shutdown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Anderegg
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bereit, den Fehler zu machen, vor dem sie stets alle warnte, ob sie es hören wollten oder nicht: Sie ging mit Wut im Bauch zu einer wichtigen Besprechung.
    »Carmen, komm her, lass dich umarmen«, rief ihr Boss.
    Er kam ihr freudestrahlend entgegen. Auf dem Schreibtisch standen zwei Gläser und eine Flasche Champagner im Kühler bereit.
    »Was gibt's?«
    Die Stimme war kälter als das Eis im Kübel, und ihr feindseliger Gesichtsausdruck stoppte ihn augenblicklich.
    »Das – frage ich dich«, antwortete er unsicher. »Ich wollte auf unsere Staatsanwaltschaft anstoßen.«
    Sie zeigte keine Regung, hielt ihm nur den Stapel entgegen, ohne ihn aus der Hand zu geben.
    »Warum hast du diesen Dreck geschrieben?«
    Er erkannte seine Notizen sofort. Leichenblass taumelte er rückwärts, um sich am Pult festzuhalten, als hätte der Boden unter den Füssen plötzlich Löcher wie ein Schweizerkäse.
    »Woher hast du das?«, fragte er tonlos.
    Er wartete nicht auf ihre Antwort, sondern wankte wie betrunken ins Besprechungszimmer. Es klapperte, raschelte, Gläser stießen aneinander, dann winselte er wie ein verletzter Hund und kehrte mit rotem Kopf zurück.
    »Wo ist sie?«, keuchte er.
    »Du hast meine Frage noch nicht beantwortet.«
    »Wo ist die Disk?«, wiederholte er mit zittriger Stimme.
    Sie war es gewohnt, schnell und emotionslos zu reagieren. Ohne die geringste Ahnung, wovon er sprach, sagte sie:
    »Die behalte ich als Pfand.«
    »Das ist Diebstahl!«, keuchte er außer sich. »Ich zeige dich an.«
    Sie lächelte bitter. »Tu das. Ich glaube, die Staatsanwaltschaft wird diese Lektüre sehr spannend finden. Ja, das glaube ich. Da steht nämlich nicht nur Dreck über mich drin ...«
    »Ich weiß, was drin steht, verflucht! Was willst du?«
    »Antwort auf meine Frage. Und ich will alles wissen über Steve und den Auftrag an ›Office P‹.«
    Er hatte sich wieder unter Kontrolle, spielte den Unbeteiligten. »Ach – die alte Geschichte.«
    »Hör auf mit dem Theater. Ich hab's gelesen. Was da drin steht, reicht für eine Anklage.«
    Er lachte sie aus. »Du willst mir drohen? Die besten Anwälte arbeiten für mich, vergiss das nicht, und denk dran, wer dir deine Brötchen bezahlt.« Er streckte die Hand aus. »Jetzt gib mir, was mir gehört.«
    »Du gibst also zu, dass es deine Notizen sind? Ausgezeichnet, das erleichtert das Verfahren.«
    »Welches Verfahren?«
    Das Gespräch führte zu nichts. Die Wut im Bauch verrauchte nicht, im Gegenteil. Unter diesen Umständen gab es keine Grundlage mehr für eine vernünftige Zusammenarbeit. Sie drehte sich um und verließ zum letzten Mal sein Büro.
    »Du hörst von meinen Anwälten«, war ihr Abschiedsgruß.
     
    San Jose, Kalifornien
     
    »Hier riecht's«, sagte Jezzus noch unter der Küchentür.
    Jen lachte. »Es riecht immer. Das ist der Fluch unserer falsch konstruierten Nasen.«
    »Was fehlt den Nasen?«
    »Nasenlider.«
    »Ach so, klar, warum ist mir das nur noch nicht aufgefallen? Wie heißt dein neues Parfüm?«
    »Zweite Erde«, grinste sie.
    Dons Badeshampoo roch edel und geschlechtsneutral. Der Duft passte ebenso zu Jen wie zu Jerry. Deshalb hatte sie ihn nicht sogleich nach der Rückkehr abgewaschen. Dass der verabscheute Medienmogul gleich riechen könnte, kümmerte sie nicht, solang sie ihm nicht begegnete. Sie war müde aber glücklich nach dem nächtlichen Abenteuer und begierig darauf, das gefundene Material genauer zu studieren. Schlafen konnte sie später immer noch. Sie setzte sich mit einem Glas Wasser zu ihm an den Tisch.
    »Es ist spät geworden gestern«, stellte er fest. »Ich habe dich nicht kommen hören.«
    Niemals hätte er gefragt: Wo warst du? Was hast du getrieben? Aber genau das meinte er mit seinem Kommentar. Sie blickte ihn nur gut gelaunt an und übte sich in herausforderndem Schweigen. Er setzte den siedenden Kaffee mit einem leisen Fluch ab. Die Stirn in Falten starrte er die Maserung der Tischplatte an, als wäre er mit dem Werk der Natur gar nicht mehr zufrieden.
    »Wir müssen nochmals über deinen Plan reden«, sagte er nachdenklich.
    »Welchen Plan?«
    »Den Plan, über den du noch kein Wort verloren hast. Wie willst du die ›TNC‹-Festung knacken? Wie willst du überhaupt unbemerkt hineinkommen? Vielleicht haben wir die falschen Fingerabdrücke sichergestellt.«
    »Haben wir nicht.«
    »Wie kannst du das behaupten?«
    »Hab's ausprobiert«, sagte sie leichthin und legte Kopien und DVD auf den Tisch.
    Sie musste sich in etwas sehr

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