Shutdown
Nathan.
»Das ist unserer Mandantin durchaus bewusst. Sie ist bereit, auszusagen unter zwei Bedingungen.«
Kate setzte ihre strenge Miene auf. »Also, die Bedingungen.«
»Erstens braucht sie Polizeischutz bis zum Ende eines möglichen Prozesses. Zweitens darf in dieser Sache nicht gegen sie ermittelt werden.«
»Ein Blankoscheck!«, rief Joe verdutzt.
Der Anwalt setzte wieder das verbindliche Lächeln auf, mit dem er sie begrüßt hatte. »So würde ich es nicht nennen, aber Sie werden verstehen, dass sich unsere Mandantin schützen muss. Es geht hier um höhere Interessen der Staatsanwaltschaft, meine ich.«
»Das lass mal meine Sorge sein«, entgegnete Kate, ohne von der Akte aufzusehen.
Es war nicht leicht, sich von der wunderbaren Offenbarung loszureißen, die in diesen wenigen Zeilen steckte. Nathan verstand das. Nach seiner Erfahrung war die Sache so gut wie gelaufen. Die Staatsanwaltschaft würde alles unternehmen, um an Tates Aussage und die Beweise zu gelangen. Das juristische Feilschen um die richtigen Bedingungen überließ er gerne Kate und den Anwälten. Das würde seine Zeit dauern, da kein Jurist dem andern über den Weg traute. Er wollte sich und Joe verabschieden, doch Kate kam ihm zuvor.
»Ihr habt sicher eine Vereinbarung vorbereitet«, sagte sie zu Larry.
Sein Adlatus zauberte ein weiteres Papier aus der Aktentasche und schob es über den Tisch.
»Ist nur eine Diskussionsgrundlage«, lächelte Larry.
Kate überflog die zwei Seiten mit steinernem Gesicht, dann sagte sie nur:
»Ich muss das mit dem Oberstaatsanwalt besprechen. Ihr hört von uns.«
Die Sitzung war beendet. Sie begleitete die Besucher hinaus, kehrte kurz danach strahlend ins Büro zurück. Die Sonne blendete geradezu auf ihrem Gesicht, als sie die Faust erhob und die Polizisten mit einem Freudenschrei erschreckte:
»Yes, fucking brilliant!«
Ihre Begeisterung steckte an. Bei Nathan hielt sie vor bis am Mittag des folgenden Tages. Die Vorfreude auf den endgültigen Durchbruch in diesem Fall, der ihn bisher ausschließlich in Sackgassen geführt hatte, endete Punkt eins am Nachmittag. Die Spritze wirkte schnell. Seine linke Oberlippe existierte nicht mehr. Der Zahnarzt setzte den Bohrer an, schob ihn jedoch sogleich wieder seufzend beiseite. Das Telefon in Nathans Tasche war nicht zu überhören. Der Zahnarzt kannte den unmöglichen Patienten seit der Praxisübernahme. Er ergab sich klaglos in sein Schicksal, wandte sich ab und begann, mit der Assistentin zu schäkern. Lieutenant Rosenblatt würde ja jede Minute bezahlen.
Nathan, den Kopf nach unten auf dem verfluchten Folterstuhl liegend, den sperrigen Speichelsauger im Mundwinkel, der nicht mehr existierte, tastete blind nach seinem Handy. Schweißperlen bildeten sich auf der Stirn, bis er das Telefon endlich ans Ohr pressen konnte.
»Nnng?«, stöhnte er laut, um das Sauggeräusch zu übertönen.
»Wo zum Teufel steckst du?«, fragte Joe ärgerlich.
»Nnng!«
»Willst du mich verarschen? Schlürfst du so widerlich?«
»Nnng nnng!«
»Was auch immer. Kate will uns um zwei sehen. Tate wird aussagen. Ging schneller als sonst, wie?«
»Nnng.«
»Verdammt!«
Die Leitung war tot. Der Zahnarzt versuchte eifrig, die blutjunge Gehilfin von den Vorzügen einer Zweitwohnung in Aspen zu überzeugen. Nathan unterbrach das Zwiegespräch mit einem letzten, langgezogenen »Nnng«.
Um Viertel vor zwei begann die Wirkung der Spritze nachzulassen. Die Oberlippe fühlte sich nach Hollywood an, aufgespritzt bis zum Platzen, doch der einsetzende Schmerz lenkte ab.
»Was sollte das Theater am Telefon?«, wunderte sich Joe, als er das Büro betrat.
Er deutete schweigend auf die Backe und öffnete ein Seltzer.
Joe schlug sich an die Stirn. »Scheiße! Der Zahnarzt. Das war heute?«
»Steht so im Kalender«, sagte Nathan.
Er freute sich, seinen eigenen Satz so gut zu verstehen. Kurz bevor sie aufbrachen, rief Kate an.
»Es gibt eine Verschiebung. Die Befragung findet um halb drei statt.«
»Warum?«
»Larry scheint Mühe zu haben, Tate zu erreichen.«
»Sie wird doch keinen Rückzieher machen?«
»Um Gottes willen, Nathan, mal den Teufel nicht an die Wand!«
Sein Zahn rächte sich für die Spritze. Dumpfe, langsame Pulse im Gaumen störten ihn beim Denken wie die Bässe aus dem Zimmer des Sohnes am Wochenende. Ohne diesen inneren Kampf hätte er wohl nicht auf Kates zweiten Anruf gewartet, um zu handeln.
»Da stimmt etwas nicht«, sagte sie aufgeregt. »Larry erreicht
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