Shutdown
›Kawasaki‹ mit grüner Verschalung, beim Pavillon vor der ›One Bush Plaza‹. Es war seine Idee, ihren Pick-up stehen zu lassen und das wendige Bike zu benutzen. Angesichts der Horde sperriger Armeefahrzeuge, berittener Bullen und anderer überraschender Hindernisse musste sie ihm für diesen Einfall danken. Die grüne Ecke, wo sich Sansome, Market und Sutter Street trafen, lag strategisch gut. Ein schneller Rückzug musste jederzeit möglich sein. Diese Taktik lag T-Rex genauso im Blut wie ihr selbst. Sie sprang vom Beifahrersattel und warf einen Blick auf die Uhr. Sein kreativer Fahrstil hatte sie gerade noch rechtzeitig vor der Schließung zur Bank geführt.
»Du hast vierzig Minuten«, sagte sie. »Ich warte besser bei der Maschine.«
»Cool.«
Sie suchte einen Platz, von dem aus sie die Bank und das Motorrad unauffällig im Auge behalten konnte und stellte sich auf eine lange Wartezeit ein. Irgendwo plätscherte Wasser, wahrscheinlich im Garten, der gut verborgen eine Etage unterhalb der Straße nichts von der Krise spürte. Das beinahe vergessene Geräusch beruhigte ihre angespannten Nerven. Sie hörte auf, andauernd nach misstrauischer Polizei Ausschau zu halten. Es war ihr bisher nicht aufgefallen, aber jetzt bemerkte sie, wie sich der Himmel rasch verdüsterte. Schwarze Wolken zogen auf. Es roch nach Regen, noch bevor die ersten, bleischweren Tropfen auf dem Pflaster zerplatzten. Sie glaubte es zischen zu hören, so schnell verdunstete das Wasser auf dem heißen Straßenbelag. Kühle Frischluft, angereichert mit dem göttlichen Parfüm gewaschenen Teers und Gesteins, verdrängte die stumpfe, verbrauchte Stadtluft, die sie nur widerwillig eingeatmet hatte. Gierig füllte sie die Lungen mit dem segensreichen Gemisch, während sie dem Regen dankbar entgegen lächelte. Sie öffnete den Mund weit, um so viele Tropfen wie möglich zu erhaschen. Sie war nicht allein mit ihrer Freude über das unerwartete Geschenk des Himmels. Aus allen Löchern tauchten plötzlich Leute auf, traten auf die Straße, hielten das Gesicht in den Regen, schwatzten und lachten. Es schien, als erwachte die tot geglaubte Stadt zu neuem Leben. Autos hupten. Bewegung kam in die Menschentraube bei der Suppenküche weiter unten an der Market Street. Die Leute, die sich vor ein paar Minuten noch stoisch für eine warme Mahlzeit angestellt hatten, tanzten fröhlich auf der Straße, dass kein Fahrzeug mehr durchkam. Mit einem Mal herrschte Betrieb in der Stadt wie an der ›Pride‹ Parade. Die Aufregung an der Straßenecke, wo ihr alter Freund den Scheck einlösen sollte, fiel ihr erst auf, als Polizei mit Blaulicht und heulenden Sirenen zur Bank vorzudringen versuchte.
»T-Rex!«, schoss ihr sofort durch den Kopf.
Sie glaubte, ihr Herz setze aus. Leute rannten aus der Bank, uniformierte Sicherheitsbeamte hinterher. Der Verkehr kam auch dort zum Erliegen. Cops ließen ihren Wagen stehen, eilten dem Durcheinander entgegen. Jeder schien jeden zu verfolgen. Der Scheck! Es konnte kein Zufall sein. Was sie insgeheim befürchtet hatte, war eingetreten. Wards Scheck wurde überwacht. Die Falle schnappte zu, sobald sie ihn einzulösen versuchten. Nun verfolgten sie T-Rex. Das musste es sein.
»Verfluchte Scheiße«, ächzte sie.
Was sollte sie tun? Sie konnte nicht länger still zusehen. Die Cops durften ihn unmöglich schnappen. Irgendwie musste sie ihm helfen. Sie schwang sich aufs Motorrad, startete und stutzte. Im Augenblick, als sie die Sutter hinauffahren wollte, ihm entgegen, spie der Block gegenüber der Bank eine Wolke nackter Körper aus. Glänzende, nackte Männlein und Weiblein aus dem Fitnesscenter verschmolzen mit Verfolgern und Verfolgten zu einem wahren Veitstanz. Nackt waren die Freudentänzer wohl nicht, aber nackt genug, dass sie sofort die ganze Aufmerksamkeit auf sich zogen. Ungläubig betrachtete Jen das irre Schauspiel. Sie wollte den Motor wieder abstellen, da legte sich eine schwere Hand auf ihre Schulter.
»Los, weg hier!«, keuchte T-Rex außer Atem, während er sich auf den Sattel schwang.
Nach einer Schrecksekunde gab sie Gas. Sie schlängelte sich zur Market Street durch und brauste nach Süden zur Auffahrt auf die Bay Bridge.
»Was ist passiert?«, rief sie nach hinten.
»Alles cool.«
Was die Antwort bedeutete, erfuhr sie erst, als sie wieder in ihren Pick-up stieg, mit zehntausend Dollar Cash in der Tasche. Die Bank hatte das Geld schon ausgezahlt, als der Alarm losging und sie ihn aufhalten wollten.
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