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Shutdown

Shutdown

Titel: Shutdown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Anderegg
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schnäuzte sich lautstark, bevor er seine Meinung äußerte. »Die Medienlobby – dazu gehören Zach Rant und ›TNN‹ und das ganze Pack an vorderster Front – leistet gründliche Arbeit. Unsere Twitter-Aktionen scheinen wirkungslos zu verpuffen ...«
    »Kunststück«, unterbrach Linda. »Über solche Kanäle erreichen wir nur die eigenen Leute. Leute wie uns, die das Zeitalter der Aufklärung schon hinter sich haben. Wir betreiben intellektuelle Inzucht.«
    »Bingo, Schätzchen«, lächelte Emma.
    Jezzus nahm den Faden wieder auf. »Jedenfalls wird ›PACTA‹ mit wehenden Fahnen passieren. Darauf könnt ihr Gift nehmen.«
    »Der Don und Konsorten zementieren ihre Medienmacht, und der Rest von uns wird durch Zensur und totale Überwachung mundtot gemacht«, fasste Emma die schöne neue Welt zusammen. »Paradiesische Zustände sind das. Ich wandere aus.«
    Mein Stichwort , dachte Jen. Laut sagte sie: »Kann gut sein, dass wir alle bald auswandern werden.«
    Die Truppe schien sich erst jetzt dafür zu interessieren, was sie den ganzen Tag getrieben hatte. Sie berichtete nüchtern, wahrheitsgetreu und vollständig. Sie beschönigte nichts, dramatisierte nichts. Die andern sollten die Lage sachlich selbst einschätzen. Der kleine Funke Hoffnung wollte noch nicht sterben. Die Hoffnung, ihre Freunde kämen zu einem andern Schluss.
    Als sie endete, herrschte betretenes Schweigen. Sie verteilte die zehntausend Dollar auf die Tische. Niemand rührte das Geld an. Die Familie dachte nach. Mike legte seine Hand auf Lindas Rechte, doch sie entzog sich ihm sofort. Diese Entscheidung musste jede und jeder für sich selbst treffen. Berührungen störten nur. Mit der Zeit wanderten alle Blicke zu Jezzus. Möglicherweise hofften auch die Freunde, die ältere Generation würde die Lage anders einschätzen. Die Hoffnung starb, noch ehe er den Mund öffnete. Jen sah es an seinen traurigen Augen.
    »Es ist vorbei«, sagte er leise.
    Sie sprang auf, rannte hinaus und schlug die Tür hinter sich zu. Niemand sollte sie weinen sehen. Lange wehrte sie sich gegen die Tränen, doch am Ende brach sie zusammen. Sie kauerte in einer Ecke beim Generator, das Gesicht in den Händen und schluchzte hemmungslos.

Kapitel 6
     
    Alameda, Kalifornien
     
    Jen brach das lange Schweigen: »Du kannst mich da vorn an der Ecke rauslassen.«
    Es war kaum mehr als ein Flüstern, als protestierten ihre Stimmbänder gegen die endgültige Trennung. Jezzus drosselte die Geschwindigkeit.
    »Bist du sicher?«, fragte er zum zweiten Mal, seit sie die Fabrik verlassen hatten. »Du kannst bei mir ...«
    »Vergiss es. Lieb von dir, aber ich glaube, so ist es besser.«
    »Wie du meinst«, murmelte er und kaute weiter auf seiner Habanero.
    Er hielt an der Einfahrt zur Page Street. Schweigend packte sie die Computertasche und stieg aus. Es war ihr einziger Schatz, der wirklich zählte, weit wichtiger als der Seesack mit den andern Habseligkeiten. Die Tasche enthielt nicht nur den Laptop, sondern auch das unscheinbare Kästchen namens ›Titan‹, ihre Terabyte Disk, die ihr ganzes, digitales Leben speicherte. Sie hätte auf alles verzichtet, nur nicht auf ›Titan‹ und seine Brüder, die USB–Sticks, die sie als Backup benutzte. Die Disk war ein kostbares Stück der Fabrik und ihrer Familie. Jezzus ergriff den Kleidersack, doch sie wehrte ab.
    »Lass nur, ich schaffe das schon.«
    Eine Weile fanden weder er noch sie die richtigen Worte zum Abschied. Sie standen neben dem Wagen und sahen sich betreten an. Der Pick–up gehörte nun ihm allein, dafür hatte sie etwas mehr als zweitausend Dollar in der Tasche. Wieso dachte sie jetzt an diese unwichtigen Dinge? Jetzt, da sie passende Worte suchte, die es offenbar nicht gab?
    »Du weißt, wo du mich findest – jederzeit«, murmelte er schließlich.
    Ihr fiel keine Antwort ein. Sie nickte nur, hängte die Tasche um, ergriff den Sack und ging auf das Haus zu. Ihr fehlte die Kraft, sich nochmals umzudrehen, als er wegfuhr. Sie stand zum ersten Mal vor diesem Haus in Alameda, und doch war es ihr nicht fremd. Sie kannte es zumindest von oben, aus einer Satellitenaufnahme, auf der sie die Anschrift des alten Bekannten gesucht hatte. Frank wohnte hier. Frank Taylor, der einzige Mensch aus Fresno County neben T-Rex, dem sie vertraute. Bei T-Rex konnte sie nicht untertauchen. Den suchten die Bullen, und außerdem war ihr seine Leibgarde nicht geheuer. Nun stand sie hier, um Frank zu überraschen. Frank, den pensionierten

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