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Shutdown

Shutdown

Titel: Shutdown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Anderegg
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hatte. Sie zitterte immer noch am ganzen Leib, versuchte jedoch, zuversichtlich zu lächeln.
    »Kein Problem«, sagte sie. »Wir löschen die Aufzeichnung.«
    Sie kannte sich aus mit der Überwachungssoftware. Der Computer in der Besenkammer, die als Freizeitraum bezeichnet wurde, war ihre große, ihre einzige Leidenschaft. Sie verstand mehr von Hardware und Software als der Techniker, der ungefähr jeden Monat die defekte Tastatur austauschen oder die fehlende Maus ersetzen musste. Und sie hatte genau aufgepasst während der Installation der Überwachungssoftware. T-Rex brauchte nur fünf Minuten Schmiere zu stehen, dann war die Aufzeichnung der letzten halben Stunde auf dem Hof unwiderruflich gelöscht. Grinsend schlüpfte sie aus der Kammer.
    »Erledigt.«
    »Cool.«
    Der Psycho hatte den Treppensturz nicht überlebt, wie sich herausstellte. Die Löschaktion ersparte T-Rex einige Jahre Jugendknast.
    »Alles cool, Jen?«, fragte T-Rex, den Mund dicht an ihrem Ohr.
    Sie blickte ihm verwirrt ins Gesicht. Er sah älter aus. Die Falten auf der Stirn und die Narbe auf der Wange waren neu.
    »Was ist passiert?«, fragte sie.
    Er ließ seine Zähne aufblitzen wie sein Bruder vorhin. »Das wollte ich dich auch fragen. Ich glaube, du warst weit weg. Haben dich die Kleinen belästigt?«
    Sie verneinte. »Alles cool.«
    Die Kleinen, wie der gefürchtete T-Rex die Teenagerbande nannte, hatten sich respektvoll hinters Haus zurückgezogen. Vielleicht sollte ihr alter Freund noch etwas an seiner Leibgarde arbeiten, aber das war nicht ihr Problem.
    »Gut, dass du zu Hause bist. Lange nicht gesehen«, lächelte sie. »Ich habe einen Job für dich.«
    Das Haus wirkte überraschend aufgeräumt, ganz im Gegensatz zu seinem Zimmer im Heim. War die Leibgarde doch nützlicher, als sie dachte? Der Flachbildfernseher und die gigantischen Boxen der Stereoanlage sahen nicht nach Geldmangel aus. Andererseits deutete auch nichts im Haus oder an ihm selbst auf eine Erwerbstätigkeit hin. Sie wunderte sich zwar, wovon er lebte, stellte aber keine Fragen. Sie vertraute ihm blind. Er stellte ihr ein Glas Wasser hin und bot ihr eine seiner Zigaretten an.
    Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Habe das Zeug nicht mehr angerührt seit Fresno.«
    »Hast dich trotzdem ganz gut gehalten.«
    Er blies den Rauch zur Seite und betrachtete sie eine Weile schweigend, dann sagte er beinahe ein wenig wehmütig:
    »Jen, der fucking Computerfreak. Was für ein Job soll das sein?«
    »Ein Bankjob.«
    Erst stutzte er, dann brach er in brüllendes Gelächter aus, das tatsächlich an den Tyrannosaurier aus ›Jurassic Park‹ erinnerte.
    »Fuck – bin dabei«, keuchte er schließlich. »Wo, wann, wie viel?«
    »Nicht was du meinst. Ich brauche jemanden, dem ich vertrauen kann.«
    »Ich bin dein Mann, das weißt du.«
    »Darum bin ich hergekommen. Ich muss einen Scheck einlösen, sollte mich aber besser nicht blicken lassen.«
    »Ach so«, sagte er enttäuscht. »Kein Problem. Wie viel?«
    Jen versicherte sich unauffällig, dass sie niemand heimlich beobachtete, dann zog sie Wards Scheck aus der Tasche.
    T-Rex pfiff leise durch die Zähne, sobald er den Betrag sah. »Zehn fucking Riesen!«, flüsterte er andächtig.
    Er wollte nicht wissen, woher das Geld stammte. Solche Fragen stellte man nicht in diesen Kreisen. Das Einzige, was ihn interessierte, war die Temperatur des kostbaren Papierfetzens.
    »Heiß?«, fragte er.
    Sie zuckte die Achseln. »Unter Umständen. Auf jeden Fall sollte mein Gesicht nicht auf dem Überwachungsvideo zu sehen sein, verstehst du?«
    Wieder lachte er schallend. »Oh ja, Mann, ich erinnere mich.«
    »Kennst du jemanden, der das für mich erledigen würde? Fünfhundert liegen drin.«
    Er musterte sie schmunzelnd. »Fünfhundert, eh? Weißt du was: Es wird mir ein Vergnügen sein, und die Kohle kannst du behalten. Ich schulde dir noch was.«
    Sie atmete heimlich auf. Es lief genau wie geplant. Auf T-Rex war immer noch Verlass.
     
    San Francisco, Kalifornien
     
    Die Filiale der ›Union Bank‹ in Oakland versteckte sich hinter Barrikaden aus Altholz, die Sprayer auf einer Seite künstlerisch aufgewertet, weniger Begabte auf der andern Seite angesengt hatten. Ihre zehntausend Dollar hätte sie dort jedenfalls nicht erhalten. Der erste Versuch in San Francisco schlug ebenfalls fehl. Immerhin fand Jen dort den Hinweis auf die Filiale an der Sutter Street. T-Rex fuhr um den Block herum. Er parkte seinen ›Grashüpfer‹, eine leichte

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