Shutdown
Nevada, in den Bergen?«
»Ja, an der Grenze zu Kalifornien. Dort stört dich niemand, versprochen. Das ist die Lösung. Es ist alles da, was du zum Leben brauchst. Du musst nur einziehen. Der Schlüssel liegt im Camp–Büro. Ich werde gleich anrufen.«
»Warte, das kann ich nicht annehmen. Ich habe dir schon zuviel Ärger ...«
»Was erzählst du da! Versprich mir, hinzufahren. In vier Stunden bist du dort, und melde dich, sobald du angekommen bist. Ich habe keine ruhige Minute mehr, solang du nicht in Sicherheit bist, Jen. Ich – ach vergiss es. Mach dich auf die Socken, Kleines.«
Jen stocherte lustlos in ihrem Essen, wie üblich, wenn das Gefühl der Ungewissheit größer war als der Hunger. Sie verlor allmählich wieder den Boden unter den Füssen, glaubte sie. Da half auch Franks Erleichterung wenig, als er von ihrer Flucht erfuhr.
»Adam lässt sich nicht mehr blicken«, bestätigte er immerhin. Trost oder Warnung? Das Monster würde nicht so schnell aufgeben. Eine Warnung also.
»Ihr sucht ihn doch?«, fragte sie ängstlich. »Schließlich hat er eingebrochen und ist vorbestraft.«
»Die Kollegen kümmern sich darum. Willst du wirklich dort hinauf?«
»Möglichst schnell weit weg von dieser Gegend.«
»Ich kann es dir wahrscheinlich nicht ausreden – nachdem was passiert ist.«
»Nein.«
Ihr Akku war beinahe leer. Er brauchte wenigstens eine Schnellladung. Ohne funktionstüchtiges Handy in die Sierra Nevada zu fahren, kam nicht infrage. Sie steckte den Adapter in die Steckdose neben der Kasse. Niemand interessierte sich sonderlich dafür. Es gehörte zu ihrer Routine wie vor dem Weltuntergang.
Die endgültige Bestätigung erreichte Frank zu Hause am Telefon. Der Polizei–Computer hatte Adams Fingerabdruck auf dem Foto zweifelsfrei identifiziert. Die Nachricht überraschte ihn so wenig, wie sie ihn beruhigte. Wenigstens war Adam nun zur Fahndung ausgeschrieben. Er musste vorsichtiger sein, aber das war kein Grund für ihn, Jen in Ruhe zu lassen.
Die Wohnung sah immer noch aus, als wäre eine Windhose durch die Stube gefegt. Dana war am Aufräumen. Rita half ihr dabei, glaubte er. Diese simple Arbeit konnte man einem Ex–Cop mit zwei linken Händen unmöglich zumuten.
»Wo ist Rita?«, wunderte er sich bei einem Blick in die Stube.
»Schlafzimmer.«
Im Schlafzimmer war alles in Ordnung außer den paar Scherben, soweit er sich erinnerte. Sie stand am offenen Schrank. Ein Koffer voller Kleider lag auf dem Bett.
»Das dürfte genügen fürs Erste«, sagte sie befriedigt.
»Willst du mir verraten, was das werden soll?«
»Siehst du doch. Du ziehst aus. Hier bist du deines Lebens nicht sicher, und bei mir gibt’s jetzt genug Platz.«
»Du willst mich entführen? Das ist strafbar.«
»Retten, mein Lieber, retten muss ich dich. Von selbst kommst du ja nicht auf solche Gedanken.«
»Da könntest du ausnahmsweise recht haben«, grinste er.
Die Vorstellung, bei ihr zu wohnen, bis das Monster gefasst war, gefiel ihm zur eigenen Überraschung ganz gut. So könnte er besser auf sie aufpassen. Wer konnte schon ahnen, was Adam sich als Nächstes einfallen ließ. Wahrscheinlich spielten noch andere Gründe eine Rolle, aber darüber wollte er im Augenblick nicht nachdenken.
Rita klappte den Koffer zu und blickte ihn gespannt an. Sie erwartete heftige Gegenwehr und hatte sich wohl gründlich auf alle denkbaren Argumente vorbereitet, obwohl ihre Antwort in solchen Situationen stets die gleiche war: Es geht nicht anders. Da er nur weiter grinste, gab sie mit einem tiefen Seufzer auf. »Madre mia!«
Eldorado County, Kalifornien
»Ihr könnt mich mal«, rief Jen den Gören nach, die ihr mit frechen Grimassen hinter der Heckscheibe des Subaru zuwinkten. Seit einer Viertelstunde musste sie den Idioten hinterherfahren und seit mehr als einer Stunde hatte sie das Gefühl, nicht vom Fleck zu kommen. Links und rechts der Straße grüßten die ewig gleichen Kiefern. Vielleicht waren es auch dieselben, die sie auf dem ganzen Weg durch die Sierra verfolgten. Sie fror. Gesicht und Hände spürte sie schon bald nicht mehr, als wäre sie im Dezember unterwegs, nicht mitten im Hochsommer. Auf der Kuppe vor der Abfahrt ins Tal des Lake Tahoe scherte der Subaru aus. Picknick. Hoffentlich erstickt ihr am Dog , dachte sie grimmig und zeigte den Gören den Finger.
Steif wie ein Truthahn aus dem Supermarkt fuhr sie weiter. Sie hatte sich vorgenommen, erst am See haltzumachen und daran hielt sie sich. Die
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