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Shutdown

Shutdown

Titel: Shutdown Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hansjörg Anderegg
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sie den Hackerangriff auf Schneider plante, wirkte wie ein Verjüngungsbad auf Jezzus. Sobald er das Chemiegebäude betrat, spürte er ein Prickeln wie zu Zeiten der Fabrik, wenn einer seiner gefälschten Schlüssel verbotene Tore öffnete. Sein Ziel war die Tolman Hall an der Nordwestecke des Campus, wo die Psychos hausten, doch hier bei seinen Chemikern und Materialwissenschaftlern kannte er sich aus. Er fand die Abstellkammer des Hausdienstes unverschlossen wie früher am Ende des Flurs im Untergeschoss. Niemand bemerkte, wie der Fremde hineinschlüpfte und perfekt getarnt als Haustechniker wieder herauskam. O. K., perfekt nicht gerade. Der blaue Overall spannte ums Gesäß und die Schultern, dass er sich nur steif zu bewegen wagte wie bei seinem ersten und letzten Tanz am Highschool-Abschlussball. Trotzdem machten ihn Kleidung und Werkzeugtasche unsichtbar. Keine Menschenseele interessierte sich für den Techniker, der durch die Gänge des Instituts für ›Personality & Social Research‹ schlenderte auf der Suche nach Dr. Schneiders Büro. Er fand es kurz bevor sich die Tür öffnete. Eine junge Dame trat heraus, zog die Tür zu und schloss ab.
    »Ist Dr. Schneider nicht da?«, fragte er.
    »Würde ich sonst abschließen?«
    Er zwang sich zu einem verbindlichen Lächeln. »Auch wieder wahr«, gab er zu, dann kratzte er sich verlegen am imaginären Bart. »Das ist ungeschickt. Ich muss in allen Räumen die Stromkreise überprüfen. Seit dem Blackout, wissen Sie ...«
    Er hoffte auf ihre naturwissenschaftliche Inkompetenz und sah sich nicht enttäuscht.
    »Nur zu«, sagte sie achselzuckend, während sie wieder aufschloss. »Sie können ja mit Ihrem Schlüssel zuschließen, wenn Sie fertig sind.«
    Damit ließ sie ihn ohne einen weiteren Blick stehen.
    »Danke«, murmelte er und trat grinsend ein.
    So leicht hatte er sich die Aufgabe nicht vorgestellt. In aller Ruhe suchte er die beste Steckdose für das kleine Gerät, das sich kaum von den vielen Netzadaptern unterschied. Das Ethernet-Kabel reichte bis zum Wandanschluss ans lokale Netz unter Schneiders Schreibtisch. Eine letzte Kontrolle mit dem Handy bestätigte, dass sein Spion funktionierte. Der Job war erledigt. Verräterische Fingerabdrücke würde man keine finden, dafür hatte er gesorgt. Einzig die arrogante Ziege würde sich möglicherweise an sein Gesicht erinnern, falls jemand es wagte, sie danach zu fragen. Er machte sich keine allzu großen Sorgen deswegen. Wichtiger war, Schneider nicht zu begegnen. Falls er ›Office P‹ verkörperte, dürfte Misstrauen sein zweiter Name sein, fürchtete er.
    Erleichtert trat er auf die Tür zu, als sie mit Wucht aufgestoßen wurde. Ein kühner Sprung rettete ihn hinter Schneiders Sofa, wo er am Boden kauernd den Atem anhielt. Er sah nur die Schuhe des Mannes, der hereinstürmte und dabei aufgeregt mit sich selbst sprach. Er entfernte sich. Jezzus hörte, wie er, Verwünschungen ausstoßend, den Stahlschrank an der gegenüberliegenden Wand aufschloss, Schubladen herauszog und kurz danach mit lautem Knall wieder zuwarf. Unablässig schimpfend kehrte er zurück. Jezzus glaubte für einen Augenblick, entdeckt zu werden. Er suchte hastig nach der plausibelsten Ausrede, da fiel die Tür zum Korridor ins Schloss. Schneider drehte den Schlüssel, dann entfernten sich seine Schritte.
    Jezzus erhob sich ächzend und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Vielleicht sollte er sich in Zukunft doch eher auf seinen bürgerlichen Job konzentrieren, dachte er mit einem wehmütigen Blick auf den Schrank gegenüber. Früher hätte er dieses Zimmer nicht verlassen, ohne ihn zu öffnen, doch für heute war seine Neugier gestillt. Er wurde allmählich zu alt für solche Abenteuer, musste er sich eingestehen. Das primitive Türschloss stellte kein Hindernis dar für seine Werkzeugtasche. Nach wenigen Minuten verließ er Tolman Hall, unsichtbar, wie er gekommen war. Niemand wunderte sich über die geplatzte Naht in seinem Schritt.
    »Psychos«, murmelte er verächtlich auf dem Weg zum Parkplatz.

Kapitel 11
     
    Santa Fe, New Mexico
     
    Das Fell der Ziege glänzte schwarz wie edle Seide. Jen zögerte. Sie ekelte sich vor dem, was nun folgen sollte. Ihre Hand suchte die kleinen Zitzen, da tippte ihr jemand an die Schulter.
    »Ihr Telefon ist erwacht«, sagte die Frauenstimme.
    Jen schlug die Augen auf, blinzelte Pat Farmer verwirrt an, bis ihre Gedanken ins Adobe-Haus der Künstler zurückkehrten.
    »Es scheint Ihnen dringend etwas

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