Shutdown
lachte. »Wenn die aussagen würde – das wäre der absolute Knüller. Ich habe allerdings keine Ahnung, wie weit sie in die Operation Shutdown verwickelt ist.«
»Schön, was willst du jetzt unternehmen?«
»Dein Plug funktioniert so gut ... Wäre schade, nicht noch weiter zuzuhören.«
Die Künstler überließen ihr das Sofa gerne für eine weitere Nacht, obwohl sie nicht zu verstehen schienen, was um alles in der Welt den eigensinnigen Gast antrieb. Die verstohlenen Blicke des Schmieds deuteten darauf hin, dass Jens Verhalten ihn reichlich verwirrte. Selbst Pat verstand nicht, weshalb sie tun musste, was sie tat.
»Die haben meine Familie auf dem Gewissen«, antwortete sie ohne Zögern auf ihre Frage.
Die Antwort hallte lange nach, während sie versuchte, einzuschlafen. Sie fühlte sich mit einem Mal einsam und verlassen. Mutlosigkeit machte sich breit. Sie begann selbst, am Sinn ihres Vorhabens zu zweifeln, doch solche Gedanken durfte sie nicht zulassen, denn sie fraßen sich wie konzentrierte Säure durch den Panzer, der ihr Selbstbewusstsein schützte. Sie wollte die negativen Verknüpfungen in ihrem Hirn mit positiven verdrängen, aber was war eigentlich gut an ihrem Leben? Jede gute Erinnerung endete in einer weiteren Tragödie. Die Mutter tot, ermordet, genauso wie Rebecca. Sie glaubte, die Säure zischen zu hören und die giftigen Dämpfe zu riechen. Traurig setzte sie sich auf, trank etwas Wasser aus der Karaffe und konzentrierte sich auf das leise Rauschen des Computers, der die Datenströme aus Berkeley analysierte und speicherte, ohne nach dem Sinn zu fragen. Getrieben von den düstersten Gedanken seit langem, setzte sie sich an den Laptop und starrte auf die vorbei huschenden Zeichen und Ziffern, bis ihr endlich doch die Augen zufielen. Sie legte den Kopf auf den Arm und schlief ein, während eine letzte Träne über ihre Wange rann.
Sie erwachte auf dem Sofa. Das Stück Himmel war grau, das sie durchs schmale Fenster sehen konnte. Ferner Donner grollte. Regentropfen klatschten auf die Fliesen im Hof. Noch etwas anderes hatte sich verändert. Es dauerte einige Sekunden, bis sie erkannte, was sie geweckt hatte. Der Computer schwieg, als wäre er gestorben wie die Hoffnung vor dem Einschlafen. Alarmiert sprang sie auf, um nachzusehen. Der Laptop schlummerte, weil die Verbindung nach Berkeley zusammengebrochen war. Ihr Programm hatte sich nach drei vergeblichen Versuchen verabschiedet. Sie startete es erneut, um mit dem fernen Spion Verbindung aufzunehmen. Das Gerät blieb stumm. Sie trennte das Handy vom Kabel und rief Jezzus an. Der Teilnehmer war zurzeit nicht erreichbar.
»Scheiße!«, fluchte sie verärgert.
Als hätte ihr Ausbruch das Haus geweckt, drangen plötzlich aufgeregte Stimmen aus der Küche ins Zimmer. Sie stand schon an der Tür, da hielt sie das Klingeln des Handys zurück. Nur Jezzus kannte ihre Nummer. Sie drückte auf Empfang, ohne aufs Display zu achten.
»Endlich«, sagte sie und wartete. »Jezzus?« Die Leitung blieb stumm. »Hallo?«
Verwirrt blickte sie auf den Bildschirm. Der Anrufer unterdrückte die Nummer. Jezzus würde so etwas nicht tun, nicht, wenn er sie anrief. Die Stimmen in der Küche wurden lauter. Der Papageienmaler krächzte aufgeregt. Es klang wie wüstes Schimpfen, doch sie verstand kein Wort. Sie versuchte, sich zu beruhigen. Dieser Anruf brauchte nichts zu bedeuten, mochte Zufall sein, eine falsche Verbindung. Bloß glaubte sie nicht an Zufälle, die sie betrafen. Sie schaltete kurzerhand das Telefon aus und entfernte den Chip, bevor sie in die Küche ging.
Der Maler stand am Fenster, wild mit den Armen fuchtelnd.
»Eine verdammte Invasion ist das!«, rief er aus. »Wo sind wir denn, am Hindukusch?«
Der Rest des Künstlerkollektivs stand um ihn herum und blickte ihm ratlos über die Schultern. Er unterbrach seine Schimpftirade für kurze Zeit, da hörte Jen wieder das Donnergrollen. Es schwoll rasch an, bis es alle andern Geräusche im und ums Haus übertönte. Es war kein Gewitter. Jen rann ein kalter Schauer über den Rücken. Ihr Magen verkrampfte sich. Sie kämpfte gegen Übelkeit, als sie sah, was draußen vor sich ging. Zwei Hubschrauber flogen tief über die Häuser hinweg, kehrten zurück, langsamer, noch tiefer, wieder und wieder, wie Killerinsekten, die auf den Unvorsichtigen warteten, der sich ins Freie wagte. Heuschrecken mit dem Logo des FBI an der Seite. Auf der Straße zwei Häuser weiter oben standen Einsatzwagen. Mindestens ein
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