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Shutter Island

Titel: Shutter Island Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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zu schämen.«
    Teddy nickte und wischte sich den Mund mit dem Tuch ab, das sein Vater ihm reichte.
    Sein Vater sagte: »Manchmal schaukelt es nur leicht, und man merkt es erst, wenn es einem hochkommt.«
    Erneutes Nicken. Teddy konnte seinem Vater nicht sagen, dass es nicht das Schaukeln war, das ihm den Magen umgedreht hatte.
    Es war das Wasser. Es umgab sie in allen Himmelsrichtungen, erstreckte sich so weit, dass nichts mehr von der Welt übrig war. So weit, dass Teddy glaubte, es könne den Himmel verschlucken. Bis dahin hatte er nicht gewusst, dass sie so allein waren.
    Mit triefenden, rot unterlaufenen Augen schaute er zu seinem Vater auf. Der sagte: »Das wird schon wieder«, und Teddy versuchte zu lächeln.
    Im Sommer ’38 lief sein Vater mit einem Bostoner Walfänger aus und kam nicht mehr zurück. Im darauf folgenden Frühling wurden Teile des Schiffes in Teddys Heimatstadt Hull an den Strand gespült. Ein Stück vom Kiel, ein Kocher mit dem eingravierten Namen des Kapitäns im Fuß, Konserven mit Tomaten- und Kartoffelsuppe, ein paar verformte, durchlöcherte Hummerfallen.
    Die Trauerfeier für die vier Fischer wurde in der St. Theresa’s Church abgehalten, die ihren Rücken gegen ebenjenes Meer stemmte, das ihr schon so viele Gemeindemitglieder genommen hatte, und Teddy stand neben seiner Mutter und lauschte den Lobreden auf den Kapitän, den Steuermann und den Dritten im Bunde, einen alten Seebär namens Gil Restak, der mit zerschmetterter Ferse und hässlichen Bildern im Kopf aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt war und seitdem die Kneipen von Hull terrorisiert hatte. Doch im Tode, hatte einer der betroffenen Barkeeper gesagt, sei alles vergeben.
    Der Schiffsbesitzer, Nikos Costa, gestand, dass er Teddys Vater kaum gekannt habe, dass er ihn in letzter Minute angeheuert habe, weil ein Crewmitglied vom Lastwagen gefallen war und sich das Bein gebrochen hatte. Dennoch, der Kapitän hätte anerkennend von ihm gesprochen, jeder in der Stadt wüsste, dass er ordentlich arbeitete. Und war das nicht das höchste Lob, das man einem Mann zollen konnte?
    Dort in der Kirche dachte Teddy zurück an jenen Tag auf dem Boot seines Vaters, denn sie waren nie wieder gemeinsam hinausgefahren. Sein Vater hatte es ihm immer wieder versprochen, aber Teddy wusste, er sagte es nur, um seinen Sohn nicht zu demütigen. Nie hatte sein Vater ein Wort darüber verloren, was an jenem Tag geschehen war, aber auf dem Heimweg an all den Inseln vorbei, Shutter Island hinter ihnen, Thompson Island noch voraus, die Silhouette der Stadt so klar und deutlich sichtbar, dass man glaubte, man könne die Gebäude an ihren Spitzen hochheben, da hatten sie sich einen Blick zugeworfen.
    »Das ist das Meer«, hatte sein Vater gesagt, als sie gegen das Heck gelehnt standen, und Teddy dabei leicht über den Rücken gestrichen. »Manche Männer lässt es nicht mehr los. Andere lässt es nicht an sich heran.«
    Und seinem Blick hatte Teddy entnommen, zu welcher Kategorie er eines Tages gehören würde.
     
    Wenn man im Jahr 1954 nach Shutter Island wollte, stieg man in Boston auf die Fähre und wurde an vielen vergessenen Inselchen vorbeigetragen – Thompson und Spectacle, Grape und Bumpkin, Rainford und Long –, die sich mit drahtigen Sandbüscheln, knorrigen Bäumen und knochenbleichem Gestein in den Skalp des Meeres krallten. Dienstags und samstags lieferte die Fähre Versorgungsgüter an, sonst gab es keinen festen Fahrplan. Das Schiff war innen völlig leer, lediglich ein Metallblech bedeckte den Boden, und unter den Fenstern verliefen zwei Stahlbänke. Sie waren im Boden verankert und seitlich an dicken schwarzen Pfosten festgeschraubt. An den Pfosten hingen Handschellen und Ketten wie Spaghetti.
    An diesem Tag jedoch beförderte die Fähre keine Patienten in die Anstalt, sondern Teddy und seinen neuen Kollegen Chuck Aule, ein paar Leinensäcke mit Post und Kisten mit medizinischem Bedarf.
    Für Teddy begann die Überfahrt auf den Knien vor der Kloschüssel. Er kotzte, während der Schiffsmotor tuckerte und polterte und ihm der ölige Geruch von Diesel und spätsommerlichem Meer in die Nase stieg. Er bekam nichts heraus, nur etwas Flüssigkeit. Dennoch zog sich seine Kehle zusammen, drückte der Magen gegen die Speiseröhre, und tanzten Staubkörnchen vor seinem Gesicht.
    Nach dem letzten Würgen bahnte sich ein Schwall Luft seinen Weg nach draußen. Die lautstarke Entladung riss Teddys Brust beinahe entzwei. Er ließ sich auf den Boden

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