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Shutter Island

Titel: Shutter Island Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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pfefferte den Apfel erneut gegen die Mauer.
    Am Tor stand ein Wärter mit einem Kindergesicht und arroganter Miene. Er sagte: »Alle Pfleger melden sich bei Mr. Willis in der Verwaltung. Ihr gehört zum Aufräumtrupp.«
    Chuck und Teddy musterten die weißen Hosen und Hemden des anderen.
    »Ich nehme Eier Benedikt zum Frühstück«, sagte Chuck.
    Teddy nickte. »Danke. Wusste ich nicht genau. Und zu Mittag?«
    »Ein dünnes Reuben-Sandwich.«
    Teddy zeigte dem Wärter seinen Dienstausweis. »Unsere Uniformen sind noch nicht aus der Wäscherei zurück.«
    Der Wärter warf einen kurzen Blick auf den Ausweis und wartete auf Chucks.
    Chuck seufzte, holte seine Brieftasche hervor, klappte sie auf und hielt sie dem Wärter unter die Nase.
    Der Wärter sagte: »Was haben Sie auf der anderen Seite der Mauer zu suchen? Die Vermisste ist doch wieder da.«
    Mit jedweder Rechtfertigung würden sie sich erniedrigen und dem kleinen Besserwisser Oberwasser verschaffen, entschied Teddy. Im Krieg hatte er ein Dutzend solch kleiner Scheißer in der Kompanie gehabt. Die meisten waren nicht in die Heimat zurückgekehrt, und oft hatte sich Teddy gefragt, ob sich wirklich jemand um sie grämte. An diese Sorte Arschloch kam man nicht heran, sie war unbelehrbar. Aber man konnte solche Wichtigtuer abschmettern, wenn man wusste, dass sie sich einzig und allein überlegener Macht beugten.
    Teddy trat auf den Milchbubi zu und sah ihm ins Gesicht, ein zuckendes Lächeln um die Mundwinkel. Er wartete, bis der andere den Blick erwiderte.
    »Wir gehen spazieren«, sagte Teddy.
    »Dafür haben Sie keine Erlaubnis.«
    »O doch, haben wir.« Teddy trat noch einen Schritt näher, sodass der junge Mann den Kopf heben musste. Teddy roch seinen Atem. »Wir sind Marshals der Bundesregierung, und dies ist eine nationale Einrichtung. Damit haben wir die Erlaubnis von Gott persönlich. Ihnen müssen wir keine Auskunft geben. Vor Ihnen müssen wir uns nicht rechtfertigen. Wenn wir Lust haben, können wir Ihnen in den Schwanz schießen, und kein Gericht im ganzen Land würde Ihre Klage zulassen.« Teddy beugte sich noch einige Zentimeter vor. »Machen Sie also das verdammte Tor auf.«
    Der junge Mann bemühte sich, dem Blick standzuhalten. Er schluckte. Er versuchte, hart auszusehen.
    Teddy sagte: »Zum letzten Mal: Machen Sie das –«
    »Okay.«
    »Ich habe Sie nicht verstanden«, sagte Teddy.
    »Ja, Sir.«
    Teddy schaute dem Jüngelchen noch etwas länger in das arrogante Gesicht und schnaubte.
    »Nun gut, mein Junge. Ja-woll!, heißt das.«
    »Ja-woll!«, schrie der andere automatisch. Sein Adamsapfel trat hervor.
    Er drehte den Schlüssel um und zog das Tor auf. Ohne sich umzusehen, ging Teddy hindurch.
    Sie bogen nach rechts und gingen eine Weile an der Mauer entlang, dann sagte Chuck. »Nicht schlecht, das mit dem ›Jawoll‹.«
    »Fand ich auch nicht übel.«
    »Ihr seid in Europa wohl alle richtige Schleifer gewesen, was?«
    »Ich war Major und hatte das Kommando über ein ganzes Rudel solcher Pappnasen. Die Hälfte von denen ist abgekratzt, ohne einmal gebumst zu haben. Wenn du lieb und nett bist, respektieren die dich nicht. Die müssen so richtig Schiss vor dir haben.«
    »Jawoll, Herr Major. Ganz Ihrer Meinung.« Chuck salutierte. »Auch wenn der Strom ausgefallen ist, dir ist doch klar, dass wir vorhaben, uns in eine Festung zu schleusen, nicht wahr?«
    »Das ist mir nicht entgangen, nein.«
    »Schon eine Idee?«
    »Nein.«
    »Meinst du, da gibt’s einen Burggraben? Wär doch mal was.«
    »Vielleicht stehen die oben auf den Türmen und haben Fässer mit siedendem Öl.«
    »Bogenschützen«, sagte Chuck. »Wenn die Bogenschützen haben, Teddy, dann …«
    »Und wir hier ohne Kettenhemd.«
    Sie kletterten über einen umgestürzten Baum. Der Erdboden war durchweicht und rutschig von nassem Laub. Durch die zerrupften Bäume konnten sie die Festung erkennen, die hohen grauen Mauern, die Spuren der Jeeps, die den Morgen über hin- und hergefahren waren.
    »Irgendwie hatte der Wärter Recht«, sagte Chuck.
    »Warum?«
    »Jetzt, da Rachel zurück ist, haben wir hier genau genommen nichts mehr zu sagen – anders als vorher. Wenn die uns erwischen, Chef, haben wir nie im Leben eine einleuchtende Erklärung parat.«
    Hinter den Augen spürte Teddy das Toben des zerpflückten Grüns. Er war erschöpft, ihm war ein wenig schwindelig. Vier Stunden Schlaf, künstlich herbeigeführt und belastet von Albträumen, mehr war ihm in der letzten Nacht nicht

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