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Shutter Island

Titel: Shutter Island Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Lehane
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zugerannt kam.
    »Ich weiß nicht.«
    Chuck beugte sich vor und zischte Teddy ins Ohr: »Das ist ’ne Falle, Chef.«
    Teddy lief los. Er hatte Kopfschmerzen, weil er zu wenig geschlafen hatte. Wegen des Regens. Wegen der unterdrückten Schreie und rennenden Füße über ihm. Die beiden kleinen Jungen und das Mädchen hatten sich an den Händen gehalten und über die Schulter umgesehen. Sie hatten gezittert.
    Wieder hörte Teddy den Patienten das Bierflaschenlied singen: »… nimm eine runter, reich sie herum, vierundfünfzig Flaschen Bier auf der Mauer.«
    Erneut tauchten sie vor Teddys Augen auf, die beiden Jungen und das Mädchen, sie schwammen durch die flirrende Luft, und Teddy sah die gelben Tabletten, die Cawley ihm am Abend zuvor in die Hand gelegt hatte. Wie ein Ölteppich begann die Übelkeit sich in seinem Magen zu drehen.
    »Vierundfünfzig Flaschen Bier auf der Mauer, vierundfünfzig Flaschen Bier …«
    »Lass uns wieder gehen, Teddy. Wir müssen weg. Hier stimmt was nicht. Du weißt es, und ich weiß es.«
    Am hinteren Ende des Saales erschien ein Mann in der Tür.
    Bis auf eine weiße Pyjamahose war er völlig nackt. Der Kopf war rasiert, das konnte man sehen, mehr war im schwachen Licht nicht auszumachen.
    »Hey!«, grüßte er.
    Teddy beschleunigte seinen Schritt.
    »Tick! Du bist es!«, sagte der Mann und verschwand.
    Chuck holte Teddy ein. »Chef, bitte nicht.«
    Er war hier. Laeddis war hier. Irgendwo. Teddy spürte es.
    Hinter der Tür am anderen Ende des Saals war ein breiter steinerner Treppenabsatz. Steil wand sich eine Treppe in die Dunkelheit hinab, nach oben führte sie zum Geschrei und Geschnatter, das inzwischen lauter geworden war. Metall und Ketten klirrten. Jemand rief: »Billings! Ist jetzt gut! Regen Sie sich ab! Hier geht’s nicht nach draußen. Verstanden?«
    Teddy hörte jemanden atmen. Er drehte sich um: Der Mann mit dem rasierten Kopf stand direkt neben ihm.
    »Du bist es«, sagte der Mann und tippte Teddy mit dem Zeigefinger an.
    Teddy blickte in ein leuchtendes Gesicht.
    »Ich bin es«, sagte er.
    »Klar, ich bin so nah, du könntest einfach bei mir Tick machen, dann wär’ ich es wieder, dann würde ich Tick machen und du wärst es wieder. So könnten wir stundenlang weitermachen, den ganzen Tag lang, wir könnten hier einfach stehen bleiben und immer ›Tick, du bist es‹ sagen, hin und her bis zum Mittagessen, sogar bis zum Abendessen, wir könnten einfach immer weitermachen.«
    »Wär das nicht lustig?«, fragte Teddy.
    »Weißt du, was da draußen ist?« Der Mann wies mit dem Kopf in Richtung Treppe. »Im Meer?«
    »Fische«, sagte Teddy.
    »Fische.« Der Mann nickte. »Richtig. Genau, Fische. Viele Fische. Aber auch, hm, Fische, richtig, Fische, stimmt, aber was noch, was auch? Da sind U-Boote. Ja. Hundertprozentig. Russische U-Boote. Zweihundert, dreihundert Meilen vor unserer Küste. Ist uns bekannt, stimmt’s? Haben sie uns gesagt. Klar. Und wir haben uns dran gewöhnt. Haben es fast schon vergessen. So nach dem Motto: Na gut, da sind halt U-Boote. Vielen Dank für die Information. Sie sind schon Alltag für uns geworden. Wir wissen, dass sie da sind, aber wir denken nicht mehr drüber nach. Stimmt’s? Aber trotzdem sind sie da, und sie haben Raketen an Bord. Die sind auf New York und Washington gerichtet. Und auf Boston. Die sind da draußen. Sitzen da rum. Schon mal drüber nachgedacht?«
    Chuck atmete langsam, als warte er auf sein Stichwort.
    Teddy erwiderte: »Wie Sie schon sagten, ich denke lieber nicht so oft drüber nach.«
    »Hmm.« Der Mann nickte. Er strich sich über die Kinnstoppeln. »Wir hören hier so einiges. Würde man nicht glauben, was? Tun wir aber. Mal kommt ein Neuer, erzählt was. Die Wärter reden auch. Ihr Pfleger redet auch. Wir wissen Bescheid, wir wissen echt Bescheid. Über die Welt da draußen. Über die Wasserstoffbomben, über Atolle. Wisst ihr, wie eine Wasserstoffbombe funktioniert?«
    »Mit Wasserstoff?«, schlug Teddy vor.
    »Sehr gut. Sehr schlau. Ja, ja.« Der Mann nickte mehrmals. »Genau, mit Wasserstoff. Aber, ähm, aber auch anders als andere Bomben. Wenn man eine Bombe fallen lässt, sogar eine Atombombe, dann explodiert sie. Stimmt’s? Genau. Aber eine Wasserstoffbombe, die implodiert. Fällt in sich zusammen, bricht mehrmals innerlich zusammen, immer wieder. Und dieses Zusammenfallen, das erzeugt Masse und Dichte. Versteht ihr, die heftige Selbstzerstörung erzeugt ein völlig neues Monster. Versteht ihr das? Ja?

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