Shy Black – Detektiv mit allen Sinnen (Romantica-Novellenreihe) (German Edition)
Ich weiß nicht genau, wonach wir suchen, aber ich bin davon überzeugt, dass Nora Lakehurst noch lebt.“
„Hm. Ich habe eine Vertrauensstellung bei Mr. Lakehurst, und die möchte ich ungern aufs Spiel setzen“, wehrte sich Irvine, obwohl es ihn innerlich reizte, gemeinsam mit dem Ermittler in diesem mysteriösen Fall Aufklärung zu schaffen. Nicht, dass es ihm um Nora Lakehurst gegangen wäre. Sie war ihm nicht unsympathisch, doch seine Loyalität galt seinem Arbeitgeber. Nein, er wollte gerne so viel Zeit wie möglich mit diesem gut gebauten Typen hier verbringen, der darüber hinaus auch noch ungemein clever zu sein schien. Vor allen Dingen aber wollte er herausfinden, wie Shy zu ihm stand. Dieser vertraute Umgang zwischen ihnen ging ihm entschieden zu schnell. Nutzte der Detektiv ihn vielleicht nur aus?
Shy lächelte in sich hinein, was Irvine noch mehr verwirrte. „Wenn dein Boss irgendetwas mit dem Verschwinden seiner Gattin zu tun hat, dann wirst du bald sowieso einen neuen Job brauchen“, verkündete er mit freundlich-überheblicher Stimme.
Irvine war entsetzt bei diesem Gedanken und verlor mit einem Schlag seine lässige Haltung. Angespannt auf-gerichtet saß er plötzlich da. Daran hatte er ja noch gar nicht gedacht! „Du siehst, es wäre also auch zu deinem eigenen Vorteil, mir bei meiner Arbeit zu helfen“, betonte Shy nochmal.
Irvine erhob sich aus dem Besucherstuhl. „Also gut, Mr. Lakehurst ist morgen den ganzen Tag in San Diego zu einem Meeting mit Investoren. Allerdings ist er abends wieder zurück. Er besitzt nämlich eine Privatmaschine. Die anderen Hausangestellten gehen um zwei Uhr nachmittags. Dann haben wir für ein paar Stunden freie Bahn“, schlug er vor.
Na also, warum denn nicht gleich so, dachte Shy zufrieden lächelnd, lehnte sich in seinem Sessel zurück und rieb sich das Kinn. „Sehr gut, das dürfte reichen.“
Dabei ließ er den zierlichen Sekretär nicht aus den Augen. Diesem verursachte Shys eindringlicher Blick wieder ein denkbar angenehmes Gefühl, dabei fühlte er sich gleichzeitig wie auf dem Präsentierteller. „Ich muss jetzt gehen“, beeilte er sich, zu sagen. „Natürlich. Wir sehen uns morgen, Irvine.“
Wieso betonte dieser Detektiv seinen Namen so merkwürdig? Es klang wie ein Versprechen in seinen Ohren.
* * *
Wieder rollte Shys silberner Van langsam die Auffahrt zur Villa der Lakehursts hoch. Er war ausgesprochen pünktlich. In zweierlei Hinsicht freute sich der Ermittler sogar auf diesen Nachmittag. Einmal, um in diesem seltsamen Fall vielleicht erste Ergebnisse zu finden und zum zweiten, den unterkühlten jungen Privatsekretär etwas näher kennen zu lernen. Irvine – diesmal ganz in Dunkelblau gekleidet – stand schon in der Tür, mit einem Longdrinkglas in der Hand.
Anscheinend lässt auch er mal Fünfe gerade sein, wenn der Chef aus dem Haus ist , dachte Shy und lächelte in sich hinein, als er abbremste und mit einem Satz das Führerhaus verließ. In wenigen Schritten war er bei dem jungen, blonden Mann, der ihn mit einer Mischung aus Erwartung und Neugier anschaute.
Nach einer formlosen Begrüßung ging Irvine voran in das großzügige und penibel geordnete Arbeitszimmer von Elias Lakehurst. Das kleinere Büro daneben war sein eigenes. Hier befanden sich die abschließbaren Archivschränke voller Akten. Doch Shy interessierten vielmehr die Schreibtischschubladen des Bankers und die abgeschlossenen Sideboardtüren hinter dem riesigen Ledersessel. Irgendwo hier musste sich ein Hinweis auf den Verbleib von Nora Lakehurst finden lassen!
Er zog sich weiße Butlerhandschuhe über, um keine Spuren und Fingerabdrücke zu hinterlassen. Die Schreibtischplatte war aus blankpoliertem Glas, und auch alles andere sah so steril aus wie in einem Katalog für Büromöbel. Aber das passte zum Rest des Hauses, in dem die ehrfürchtige Stille und Unberührbarkeit eines Museums vorherrschte. Welch ein Umfeld für eine so lebenslustige Frau wie Nora! Eingesperrt in einen goldenen Käfig und ebenfalls zum Ausstellungsstück deklariert. Diese Gedanken fuhren Shy durch den Kopf, während er vorsichtig eine Schublade nach der anderen öffnete und kontrollierte. Nichts von Bedeutung. Transaktionspapiere, Aktennotizen, Reiseunterlagen, Ersatzschlüssel. Bis sich ihm eine Lade seinem Zugriff widersetzte. „Hast du Schlüssel dafür?“, fragte er Irvine, der den Detektiv die ganze Zeit über beobachtet hatte.
Irvine stellte sein Longdrinkglas auf die lederne
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