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Sibirische Erziehung

Sibirische Erziehung

Titel: Sibirische Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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die Pritsche warfen, während einer mit stolzer Stimme sagte:
    »Lasst mich mal ran, meinen kriegt er als ersten in den Arsch!«
    Gleich darauf stieß Marina einen Schrei aus, aber dann begann er zu stöhnen, wie ein Mädchen beim Sex. Die Pritschen wackelten, die Bewegung lief von einer zur nächsten und kam als leichtes Stoßen bis zu unseren, und dieses Schaukeln machte uns rasend vor Wut, wenn wirgekonnt hätten, hätten wir sie allesamt in Stücke gerissen.
    Eine Stimme sagte:
    »Los, Jungs, in den Mund auch, der Reihe nach, sonst schlafft die Schwuchtel noch ab!« Und alle sprangen von den Pritschen, lachten und machten Witze, und Marina begann wieder zu betteln und zu versprechen, dass er allen einen blasen und auch sonst alles tun würde, wenn sie ihn nur jetzt in Ruhe ließen. Aber niemand hörte auf ihn. Wieder Stöhnen, wieder die Schreie derjenigen, die in seinem Mund kamen, wieder Marina, der hustete und spuckte, hustete und spuckte.
    Irgendwann gab ihm jemand die ersten Ohrfeigen, und er begann zu schreien. Sie drückten ihm die Kehle zu und vergewaltigten ihn weiter. Ab und zu lockerten sie den Griff ein wenig, und er begann wieder zu husten und zu spucken, versuchte auch etwas zu sagen, aber es gelang ihm nicht, weil er zu sehr husten musste. Alle schrien vor Vergnügen, sie waren zufrieden, und Fisch sagte zu den anderen:
    »Und? Ist unser Mädchen nicht gut? Sie gehört mir! Jetzt ist sie für euch noch umsonst, aber ab morgen werdet ihr für sie bezahlen! Sonst müsst ihr euch einen runterholen!«
    Der Wahnsinn hatte um neun Uhr abends begonnen und dauerte die ganze Nacht an. Die Wärter kamen nicht ein einziges Mal nachschauen, was da vor sich ging. Die Vergewaltiger wechselten sich ab, ruhten sich zwischendurch aus und fingen dann wieder von vorn an. Untereinander witzelten sie:
    »He Jungs, seid ihr sicher, dass er noch lebt?«
    »Hauptsache, er ist noch warm ...«
    »Er lebt, schau doch, wie er nuckelt!«
    Gegen sechs Uhr morgens war das Fest zu Ende.
    Alle lachten und scherzten, Marina lag auf dem Bett, reglos, ab und zu hörte man ihn weinen und mit dünner Mädchenstimme etwas flüstern.
    Drei Tage später wurde er wieder von den Wärtern abgeholt. Fisch hielt ihm vorher noch einen Vortrag, um sicherzugehen, dass er nicht bei der Disziplinarabteilung Meldung machte.
    »Wenn du redest, Marina, bringe ich dich eigenhändig um ... Sei brav und halt den Mund, und keiner hier wird dich mehr anrühren, nur ich werde zu dir kommen. Ich oder einer, der mir was dafür bezahlt. Hast du verstanden? Ohne mich würden sie dir alle Löcher zerreißen, wie neulich!«
    Fisch glaubte, er wäre überzeugend gewesen, und sobald Marina die Zelle verlassen hatte, begann er mit seinen Freunden auszumachen, wer ihn bei seiner Rückkehr als erster bumsen würde.
    Ein paar Stunden später kamen sechs Leute aus der Disziplinarabteilung herein, zusammen mit Krokodil Dschena höchstpersönlich. Sie riefen die Nachnamen aller auf, die an der Vergewaltigung beteiligt gewesen waren. Unter den Kleinen Dieben brach Panik aus. Jemand sagte:
    »Ich hab doch nichts getan, ich war da, aber ich hab nichts gemacht.«
    Höchst interessiert verfolgten wir die Szene.
    Als der Aufseher alle Namen auf der Liste verlesen hatte, erklang Krokodil Dschenas widerliche Stimme:
    »Gut, alle da? Vorwärts, in einer Reihe hintereinander aufstellen!«
    Und so sahen wir sie aus der Zelle gehen. Zwei Tage lang hörten wir nichts, gespannte Erwartung lag in der Luft, keiner sprach darüber, aber viele fragten sich bang, was mit ihnen geschehen würde.
    In der Nacht des dritten Tages, als wir alle schliefen,ging die Tür auf, und die Kleinen Diebe kamen herein. Die Wärter verboten uns aufzustehen, und wir beugten uns von den Pritschen herab und versuchten zu erkennen, wie sie zugerichtet waren. Als die Tür sich wieder schloss, ging das Gejammer los. Einige weinten, andere sprachen laut vor sich hin, sagten Dinge, die keinen Sinn ergaben.
    Mir fiel auf, dass viele sich als Erstes ein Handtuch genommen hatten und es unter dem Wasserhahn nass machten. Zwei schlichen zwischen den Pritschen hindurch, und da sah ich, dass sie sich das nasse Handtuch in die Unterhose gesteckt hatten, ans Gesäß. Ein paar fingen an, sich ums Klo zu streiten:
    »Lasst mich durch, lasst mich durch, ich halt’s nicht mehr aus, ich blute ...«
    Unsere Jungs lachten sie aus:
    »Guckt euch mal die Scheißschwuchteln an, wie sie rennen.«
    »Sie wollten ihn ja unbedingt in

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