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Sibirische Erziehung

Sibirische Erziehung

Titel: Sibirische Erziehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suhrkamp-Verlag <Berlin>
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Augenblick die feindliche Attacke.
    Aber nichts geschah. Als wir den Park hinter uns ließen und die Lichter des Zentrums erreichten, waren wir so froh, dass wir vor Freude fast hüpften. Und Mel schrie die phantastischsten Beleidigungen Richtung Eisenbahnviertel.
    Während wir die hell erleuchteten Straßen des Zentrums entlanggingen, waren wir schon ganz entspannt und machten sogar schon wieder Witze. Alles schien ganz natürlich und einfach ... Ich fühlte mich so erleichtert, dass ich mir sagte: Ich könnte abheben.
    Mel bewarf uns mit Schneebällen, wir lachten, wir waren auf dem Weg nach Hause.
    An der Bibliothek nahmen wir eine Abkürzung, eine stille Gasse durch die Häuser der Altstadt. Ich konnte es nicht erwarten, nach Hause zu kommen und meinen Geburtstag mit den anderen zu feiern, die schon auf uns warteten.
    »Die sind bestimmt schon besoffen«, witzelte Mel, »die haben schon alles aufgegessen, und wir dürfen das schmutzige Geschirr spülen.«
    »Wenn das stimmt, Leute, dann feiere ich meinen nächsten Geburtstag allein, und ihr dürft mich alle ...« Ich konnte den Satz nicht beenden, etwas oder jemand versetzte mir einen kräftigen Stoß in die rechte Seite. Ich fiel mit dem Kopf auf den gefrorenen Boden. Es tat weh, aber ich reagierte sofort, und als ich mich aufrappelte, hatte ich schon die Messer in der Hand.
    Die Gasse war eng und stockdunkel, aber irgendwo weit weg befand sich ein erleuchtetes Fenster, und dank diesem Licht konnte man etwas erkennen. Schatten, die sich auf uns zu bewegten.
    »Scheiße, was war das, bei dir alles klar?«, fragte Mel.
    »Ich glaub, ja, jemand hat mir einen mitgegeben. Das sind sie, ganz sicher ...«
    »Heiliger Jesus, und ich hab meinen Stock schon weggeschmissen«, sagte Mel und schaute mich verzweifelt an.
    »Du kannst ein Messer von mir haben. Was ist eigentlich mit deinen Sägeblättern?«
    Mel steckte die Hand in die Tasche und reichte sie mir.
    »Wirf sie ihnen in die Fresse, mein Bester.«
    Gesagt, getan. Ich schleuderte eine der Scheiben auf den Schatten, der uns am nächsten war. Gleich darauf hörte man einen irren Schrei.
    Fima stürmte mit der Eisenstange vorwärts und schrie:
    »Ich reiß euch in Stücke, ihr scheiß Faschisten!«
    Er stürzte sich auf einen, der schon so nah war, dass man sein Gesicht sehen konnte. Der Kerl versuchte, dem Schlag auszuweichen, aber die Stange traf ihn genau im Genick, und er fiel ohne einen Laut.
    Aus dem Dunkel stürzten sich drei Mann auf Fima, Iwan versuchte sie so gut er konnte mit seiner Stange zu treffen.
    Dscheka lag auf dem Boden, ein Arm war gebrochen, ein Riese (ein anderer) prügelte mit einem Stock auf ihn ein. Sofort war Finger mit der Schrotflinte zur Stelle und schoss dem Riesen aus nächster Nähe eine Ladung direkt in den Brustkorb. Der Riese brach in unnatürlicher Weise zusammen, wie von einer unsichtbaren Kraft niedergestoßen.
    Ich kam Fima zu Hilfe, warf Sägeblätter und traf zwei Angreifer mitten im Gesicht. Einem anderen stach ich das Messer in die Seite, ich spürte, wie die Klinge durch mehrere Schichten Kleidung tief ins Fleisch eindrang, und da merkte ich, dass sie sich so sicher waren, sie würden uns überraschen, dass sie sich nicht mal mit Zeitungengepolstert hatten. Ich stach noch zweimal an derselben Stelle zu, in der Lebergegend. Ich hoffte, ich würde ihn töten. Gleich darauf merkte ich, wie die Hand, die das Messer hielt, schwach wurde. Als würde ich die Kontrolle über den Arm verlieren, als wäre ich gelähmt.
    Das fehlte gerade noch ..., dachte ich.
    Ich versuchte, mich zu erholen, das Messer kräftiger zu umfassen, doch meine rechte Hand gehorchte mir nicht, sie reagierte nicht mehr. Da nahm ich das Messer mit der Linken, doch in diesem Moment packte Mel mich am Hals und riss mich fort. In der Gasse hörte man Schritte: Schritte von Leuten, die flohen.
    Ich bekam keine Luft mehr, ich konnte kaum atmen. Der Schlag in die Seite tat weh, aber ich nahm ihn nicht sonderlich ernst. Ich dachte, dass sie mir höchstens ein paar Rippen gebrochen hatten, denn der Schmerz nahm zu, wenn ich einatmete.
    Der Riese lag reglos am Boden und röchelte. Man sah nicht einen Tropfen Blut. Finger musste mit Gummipatronen, die einen Eisenkern hatten, auf ihn geschossen haben: Patronen, die nicht töten sollten, aber großen Schaden anrichteten, wenn sie aus nächster Nähe abgefeuert wurden.

    Wir gingen weiter, das heißt, ohne es zu merken, rannten wir los. Alle rannten, vorneweg Finger und

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