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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Aufgabe.«
    »Ohne General Tjunin zu fragen?«
    »Alle Vollmachten haben wir, Babrak Awdejewitsch. Wir werden sie auch auf Nasarow anwenden müssen – wenn es nötig ist.«
    Als sie zurückgingen zu dem von der Baubrigade entliehenen Wagen, begegneten sie auch Jugorow und Walja Borisowna. Sie grüßten sich, und Krasnikow blinzelte Jugorow kumpelhaft zu. Viel Spaß, mein Freund, sollte das heißen, die Genossin Ärztin ist ein Schatz …
    Am Montag erschienen, durch vorsichtige Mundpropaganda informiert, alle Einwohner von Lebedewka in der Stolowaja. Nicht nur die Männer kamen; nein, auch die Frauen drängten sich in den Saal und schoben ihre Kinder, soweit sie schon gehen konnten, vor sich her. Natürlich war auch Großvater Beljakow dabei, Großmütterchen im Rollstuhl vor sich herschiebend. Seine geliebten Orden hatte er auf seine weite Bauernbluse aus blauer Baumwolle gesteckt. Er trug außerdem eine ballonartige Mütze auf seinem weiten Schädel und baute sich wie immer in der ersten Reihe auf. »Warum versammeln wir uns?« rief er Korolew zu, der auf einem kleinen Podium thronte, zusammen mit Rudenko, Goldanski, Masuk und Beljakow, dem Vater des angeblichen Soldatenmörders Andrej Nikolajewitsch. An einem langen, mit einer grünen Decke verhüllten Tisch saßen sie, gewissermaßen ein Komitee des Widerstandes gegen den Kanal. Die Aktiven waren sie, die Kämpfer aus dem Dunkel.
    Doch jeder der Einwohner, die vor ihnen in der Stolowaja standen, war ein Helfer und arbeitete für sie im stillen. Das Ganze wirkte wie eine jener Parteiversammlungen, bei denen Korolew als Dorfsowjet regelmäßig seine Pflichtreden zur Oktoberrevolution hielt, zum Tag des großen Sieges über die Deutschen und zum Gedenken an den unsterblichen Genossen Lenin, den Vater eines neuen, freien Landes und einer weltumspannenden Idee der Brüderlichkeit gegen den Kapitalismus.
    »Väterchen!« hatte Beljakow II diesmal zu seinem alten Vater, dem Veteranen, gesagt, »eine Bitte: Ruf nicht immer dazwischen.«
    »Keiner ruft dazwischen!« empörte sich der Alte und stieß den Stock hart auf den Boden. »Wer ruft dazwischen? Meinst du mich? Undankbarer Lumpenkerl, willst deinen Vater kommandieren? Mich, der ich als Unterleutnant bei Charkow …«
    Man konnte es schon nicht mehr hören. Beljakow II winkte ab und empörte den Alten damit noch mehr.
    »Und wie war's bei Bjelgorod? Neuntausend Panzer, Jüngelchen, neuntausend … in einem Tagesbefehl sagte der Marschall Konjew zu uns …«
    »Warte ab, was Jugorow zu erzählen hat. Marschall Konjew ist längst tot.«
    »So einer ist unsterblich. Stirbt nie. Oh, diese neue Jugend! Keine Achtung hat sie mehr. Wer ist überhaupt Jugorow? Ist das der Blonde?«
    »Ja, Väterchen. Der Blonde.«
    »Gackert mit der Ärztin von der Baubrigade herum. Der will uns was erzählen?« Der Alte hieb wieder mit dem Stock donnernd auf die Dielen. »Was macht er hier? He, sag mir mal, woher er kommt.«
    »Begreifst du nichts mehr?« stöhnte Beljakow II gequält. »Der Spezialist ist er …«
    »Spezialist für was?«
    »Für den Kanalbau.«
    »Schlagt ihm den Schädel ein!« schrie der Alte und blähte sich auf. »Masuk! Warum hat Masuk ihn nicht längst erledigt? Reden will der Kerl vor uns? Der soll etwas hören!«
    Großväterchen war wieder außer Rand und Band, und in solcher Stimmung schien es unmöglich, ihm etwas zu erklären. Er begriff nichts mehr, ausgenommen seine eigenen Reaktionen.
    Die Begegnung mit seinem Enkel am Grab des Soldaten Kulinitsch hatte ihn sehr mitgenommen. Als Andrej Nikolajewitsch wieder fortgeführt wurde in den Gefangenenwagen, hatte er ihm nachgebrüllt: »Bleib mutig, Enkelchen! Herauskommen wird die Wahrheit. Ein Brief ist unterwegs nach Moskau. Dein Großvater wird dich befreien …«
    Und als Kulinitsch, der gebrochene Vater des Toten, zurückschrie: »Zur Hölle mit ihm!« antwortete der Veteran kreischend: »Dumm ist er wie ein Regenwurm! Hat Scheiße im Kopf! Geht Arm in Arm davon mit dem wirklichen Mörder! Nein, soviel Blödheit!«
    Erst viel später, im eigenen Haus, beruhigte er sich, als er erlebte, daß seine Schwiegertochter ohne Tränen war und nur immer glücklich sagte: »Er lebt ja noch. Andrej lebt. Wir müssen Hoffnung haben und beten … Es soll noch Wunder geben, heißt es … ab und zu …«
    Pünktlich, wie angekündigt – Rudenko kontrollierte es auf seiner verbeulten Aluminiumuhr – erschien Jugorow in der Stolowaja. Aber wie erschien er! Die Gesichter

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