Sibirisches Roulette
überrascht und viel Ärger gebracht. Unschuldige wurden verhaftet.«
»Und die Täter laufen frei herum und machen sich Sorgen um ihre Verwandten.«
Korolew merkte die Falle und lief nicht hinein. Er umrundete sie. Mit treuem Blick sah er Krasnikow und Meteljew an. »Ich verstehe Sie noch weniger, Genosse. Keiner kennt die Täter, völlig überrascht wurden wir, ich sagte es schon – aber dann war plötzlich Militär da, besetzte unser Dorf, nahm Geiseln mit, behauptete, wir wären die Saboteure. Was nutzten alle Schwüre, alle Beteuerungen; man glaubte uns nicht. Und mehr als Worte haben wir ja nicht, um unsere Unschuld zu beweisen. Was können wir denn tun? Wir sind selbst Opfer dieser Attentate.«
Gut war das geklagt. Jeder, der nicht die Wahrheit wußte, mußte das glauben.
Krasnikow nickte zustimmend, und Meteljew verzog sein Gesicht zu einem fratzenhaften Mitleid. »Um die Geiseln geht es«, sagte er.
»Ja, deswegen sind wir hier!« pflichtete Krasnikow bei.
»Wegen der Geiseln?« tat Korolew erstaunt. Und dann plötzlich erregt: »Ist ihnen etwas geschehen? Hat man Beljakow schon erschossen?«
»Noch nicht. Aber morgen soll das Sondergericht aus Tobolsk kommen. Bis Sonntag wäre Beljakow dann hingerichtet. Das wollen wir verhindern.«
»Sie? Warum denn Sie?« fragte Korolew und riß die Augen auf. Er spielte das vorzüglich.
»Wir hatten genug Gelegenheit, Major Nasarow kennenzulernen. Ein Schwein ist er! Man munkelt, Beljakow soll unschuldig sein.«
»Er ist's! Ich war ja dabei!« sagte Korolew hart. »Er wurde von Nasarow gezwungen, zu schießen. Mit seinem eigenen Gewehr, das nun als Beweisstück vorgelegt wird.«
»Ein guter Grund, Rache zu nehmen.«
»Rache? Was können wir tun, Genossen? Arme Bauern sind wir. Wollen nur in Frieden leben, das ist alles, was wir wünschen. Aber man läßt uns diesen Frieden nicht.«
»Grigori Valentinowitsch, Sie kennen Jugorow?«
»Den Freund der Genossin Ärztin? Sie haben mich damals darauf aufmerksam gemacht, liebe Freunde. Und ich habe ihn inzwischen ein paarmal mit ihr gesehen.« Korolew machte eine weite Handbewegung. »Fährt mit ihr ab und zu durchs Dorf, und am Sonntag steht er bei uns in der Kirche, als einziger aus der Baubrigade. Ein merkwürdiger Mensch, sag' ich. Singt und betet und läßt sich segnen und fährt dann zurück ins Lager, um unser Gegner zu sein.«
»Er ist nicht euer Gegner. Jugorow will uns helfen.«
»Das tut er ja: Er baut am Damm mit.«
»Er will uns helfen, die Geiseln zu befreien!« sagte Krasnikow nun klar.
Korolew riß wieder die Augen auf und schluckte. Ihm verschlug's die Worte – das war virtuos gespielt.
»Die … die Geiseln befreien?« stotterte er dann. »Aus dem Militärlager? Sie … und Jugorow? Nein!«
»Aber ja.«
»Das geht doch nicht, Genossen. Das schafft keiner.«
»Wir haben da einen fabelhaften Plan ausgearbeitet. Es wird gelingen, diese Nacht noch.«
»Diese Nacht …?!«
»Morgen kommt, wie gesagt, das Sondergericht aus Tobolsk. Dann ist es zu spät.«
»Sofort …« Korolew schien völlig verwirrt zu sein. Er hockte auf einem Stuhl und stierte in die Gegend, als begreife er das alles nicht. »Befreien? Von Nasarow? Alle Geiseln? Oder nur Beljakow?«
»Alle Geiseln.«
»Sie und Jugorow? Aber warum denn Sie? Was haben Sie damit zu schaffen?«
»Wir hassen Nasarow, wir alle drei. Am meisten haßt Jugorow ihn. Auf diese Art wollen wir Nasarow vernichten.«
»Das wird nie gelingen! Nie! Nach der Entführung wird die Strafe für unser Dorf noch schrecklicher sein. Uns wird man dafür verantwortlich machen! Wie immer. Uns!«
»Niemand hat Beweise.«
»Nasarow hat uns auch ohne Beweise überfallen.«
»Wir werden hinterher bezeugen, daß wir in dieser Nacht hier im Dorf waren, bei einem fröhlichen Umtrunk. Die Geiseln können also gar nicht bei euch sein. Allerdings«, und hier machte Krasnikow eine wichtige Pause, »müssen wir für sie ein absolut sicheres Versteck finden. Eine Stelle, an der wirklich niemand sie finden kann. Gibt es so etwas ganz in der Nähe?«
»Nein!« sagte Korolew bestimmt. »Hier bei uns nicht.«
»Überlegen Sie scharf, Grigori Valentinowitsch, es ist sehr wichtig. Es geht um zehn Menschen. Um zehn Menschen aus Lebedewka …«
»Ich kann bis heute nacht keine Bäume aushöhlen und sie darin verstecken«, sagte Korolew verzweifelt. »Dieses Land kann hier jeder einsehen. Keine geheimen Ecken gibt's. Wo soll man sich hier verbergen? Ein Hubschrauber genügt,
Weitere Kostenlose Bücher