Sibirisches Roulette
lächerlich! General Kulpakow vom KGB rief schon in der Frühe an und kondolierte mir. Sein Beileid sprach er aus. Das muß ich mir anhören, weil ich zwei Schläfer eingesetzt habe. Meteljew!«
»Genosse General?«
»Erfolge will ich sehen. In der nächsten Woche! Ich löse Sie sonst ab und versetze Sie nach Kamtschatka oder Jakutsk … so weit wie möglich weg von mir! Sagen Sie das auch Krasnikow.«
»Sofort, Genosse General.«
»Wo ist er jetzt? Auf freudiger Hurenjagd?«
»Er sitzt neben mir.«
»In einer Woche will ich mehr wissen. Ab sofort haben Sie völlig freie Hand. Ihnen ist alles erlaubt, was zur Aufklärung führt. Kennen Sie keine Rücksichten mehr. Soll der KGB uns weiter auslachen?«
»Der KGB ist auch hier«, sagte Meteljew bedrückt. »Ein Genosse Bacharew.«
»Sag' ich's doch: Sie laufen uns den Rang ab!« Tjunin hieb wieder auf den Tisch. »Eine Prestigefrage ist das jetzt, Meteljew. Wir müssen zeigen, wer der Bessere ist.«
Meteljew räusperte sich. »Wurde Ihnen auch gemeldet, Genosse General, daß Nasarow tot ist?«
»Nein!« Tjunin schien überwältigt zu sein. Ein paar Atemzüge lang war es still in Moskau. »Auch ein Opfer des Anschlags?« fragte er dann. »Ermordet?«
»Nasarow starb an einem Herzinfarkt«, sagte Meteljew und grinste dabei Krasnikow an. »Ein ganz natürlicher Tod, wer hätte das gedacht? Sah immer so unverschämt gesund aus.«
»Wie ein Bekannter von mir.« Tjunin schien auf einmal milder gestimmt zu sein. »Sitzt im Bolschoi-Theater, hört sich die ›Tosca‹ an, und wie sie singt: ›Nur der Schönheit weiht' ich mein Leben …‹, rutscht er vom Sitz und ist tot. Eine Aufregung, sage ich. Parkett fünfte Reihe, Mitte … Die Leute haben mehr auf meinen armen Freund gestarrt, während man ihn wegtrug, als auf die Bühne, und außerdem hat seine Frau lauter geschrien als die Sängerin. So ein Herzinfarkt ist ein Teufelsgeschenk.«
General Tjunin beendete das Gespräch mit der nochmaligen Mahnung, nicht dem KGB den Triumph zu überlassen und hängte ein. Krasnikow wischte sich über die Stirn.
»Noch einmal abgebogen, Babrak Awdejewitsch«, sagte er.
»Für eine Woche. Nur noch eine Woche haben wir Zeit. Willst du nach Kamtschatka?«
»Nicht unbedingt. Auch Jakutsk ist nichts für uns. Zu kalt … ich friere so leicht. Ich habe mal geträumt, daß wir ins Ausland kommen. Nach Westdeutschland, wo wir es einfach hätten bei der dortigen Moskaukriecherei. Oder nach Schweden, blonde, heiße Mädchen … oder nach Amerika, Diskotheken, Golf, Freiheit bis in die Zehenspitzen … oder nach Paris, Montmartre, Cancan-Mädchen, Nacktrevuen, Essen im Maxim's …«
»Lauter Klischees, Victor Ifanowitsch.« Meteljew winkte ab. »Wo wir hinkommen, werden wir töten, wir von den SPEZNAS. Das haben wir gelernt, das ist unsere Aufgabe.«
»Ganz recht. Aber ich töte lieber in Paris und liege hinterher in den Armen einer schönen Frau, als daß ich nach Jakutsk zurückkehren muß in mein kleines Zimmer und zu einer Nudelsuppe. – Eine Woche ist wenig, Brüderchen.«
»Vielleicht kann uns Jugorow helfen«, sagte Meteljew und blickte über seine komplizierten elektronischen Apparate. »Seine Liebe zu Walja Borisowna ist Gold wert. Zweimal hat sie die Geiseln besucht und die Verletzten behandelt … sollte das jetzt für immer abgerissen sein …?«
Ganz anders, nicht so friedlich wie bei Krasnikow und Meteljew, lief die Unterhaltung zwischen Niktin und Bacharew ab. O nein, da schlugen die Wogen hoch.
Bacharew, der KGB-Leiter von Tobolsk, hatte sich den armen Niktin gleich nach der Konferenz der Kommission vorgenommen. Er traf ihn im Büro von Schemjakin an, sagte mit großer Höflichkeit: »Jossif Wladimirowitsch, ich möchte Sie unter vier Augen sprechen, ist's Ihnen recht?«, ging mit ihm in eines der Konstruktionszimmer, das man beschlagnahmt hatte für die Zeit der Untersuchungen, und Niktin wunderte sich, ohne Hintergedanken, daß schon zwei Männer anwesend waren, die Bacharew aus Tobolsk mitgebracht hatte. Stämmige Burschen mit kantigem Kinn, denen ein Normalbürger nicht im Dunkeln begegnen möchte. Und weil man solche Kerle nur aus Filmen und aus Romanen kennt, schöpfte Niktin keinerlei Verdacht, denn in Filmen und Romanen stimmt nichts. Das Leben, glaubte er, ist ganz anders, stiller, harmloser, langweiliger, und daraus konnte man nach seiner Ansicht keinen Film und keinen Roman machen.
»Wir sind nun allein«, sagte Bacharew noch immer freundlich, als
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