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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Euch allein lassen, wo überall ein Arzt gebraucht wird? Bis ans Ende meines Lebens müßte ich mich schämen. Betäuben müßt ihr mich … freiwillig gehe ich nie.«
    »Wer kann das alles verstehen?« sagte Schemjakin. »Dieser Haß auf uns, diese Blindheit vor der Wahrheit.« Er blätterte in einem Propagandaheft, das vom Ministerium für Wasserbau in Moskau herausgegeben war und in dem die besten Wissenschaftler beschrieben, wie wichtig der Sib-Aral-Kanal für Rußland sei. »Niktin ist herumgezogen und hat flammende Reden gehalten, voll Patriotismus … mit Zahlen hat er nie gelockt, weil keiner sie begreift. Aber du, Igor Michailowitsch, willst einmal Ingenieur werden, liest Bücher für das Studium … du begreifst es doch. Wie kann man diesen Leuten beibringen, daß ihr Widerstand der eigene Schaden ist? Hör einmal zu, was sie da schreiben.«
    Er blätterte in der Broschüre, fand die Stelle und las vor, als halte er einen Vortrag: »Am 22. Dezember 1939 und am 26. April 1940 wurde in Moskau beschlossen, in der Hungersteppe – das ist das große Gebiet im Süden Kasachstans zwischen Karaganda und Ksyl-Orda am Syr-Darja – 470.000 Hektar Brachland künstlich zu bewässern. Der Krieg kam dazwischen, statt Wasser floß Blut, aber nach dem Sieg über die Faschisten war's 1956 soweit. Der Ministerrat beschloß, als Anfang einer großen Umgestaltung erst einmal 300.000 Hektar Land mit Wasser zu versorgen. Kanäle wurden gebaut, Bewässerungsgräben, der Hungersteppen-Kanal entstand, an seinen Ufern siedelten sich 34 Baumwollsowchosen an – das Planziel: 340.000 Tonnen Baumwolle! 176 Millionen neue Rubel wurden in das Projekt gesteckt, und schon 1961 war diese Investition amortisiert. Das Planziel hatte man mit Leichtigkeit erreicht. Aus der Hungersteppe ein Baumwolland! Wie ein Signal war das. Die Sowjetunion stand an der Schwelle eines neuen Zeitalters.«
    Schemjakin nahm einen Schluck Tee, blätterte weiter und tippte mit dem Zeigefinger auf die Seite. »Hier ist es, Jugorow. Hör dir das an! Professor Abdullajew, der Präsident der Akademie der Wissenschaften von Usbekistan, errechnete, daß durch eine künstliche Bewässerung in Turkestan 15 bis 20 Millionen Hektar Brachland zu einem Garten werden könnten. Und jetzt haltet den Atem an, meine Lieben. Auf jeder Million Hektar – und 20 Millionen stehen zur Verfügung – kann man dann jährlich ernten: 500.000 Tonnen Reis, 330.000 Tonnen Getreide, anderthalb Millionen Tonnen Baumwolle, 770.000 Tonnen Milch. 200.000 Tonnen Fleisch … und das mal zwanzig. Es schwindelt einem bei diesen Zahlen. In drei Jahren wären alle Kosten abgetragen!«
    »Unfaßbar –«, sagte Walja und schob ihre Krankenkarteien zusammen. »Utopisch ist das, Väterchen.«
    »Nur weiter, nur weiter … es geht erst los!« sagte Schemjakin und schlug eine neue Seite auf. »Professor Scharow legte einen Plan vor, den Amu-Darja mit einem gewaltigen Staudamm zu bezwingen, wie man's in Assuan gemacht hat und in Bratsk. Professor Schtscherbakow trug in Moskau vor, das beste sei es, die Flüsse Syr-Darja und Amu-Darja durch ein verzweigtes Kanalsystem miteinander zu verbinden. 100 Millionen Hektar Land würden fruchtbar werden. 100 Millionen Hektar! Und Dawydow, der große Ingenieur, zeichnete schon 1932 einen Plan, in dem er vorschlug, das ganze riesige Land zwischen dem Kaspischen Meer und dem Aral-See zu bewässern. Neues, blühendes Land für über 700 Millionen Menschen, die größte Nahrungskammer der Welt entsteht, wenn man die Flüsse Ob und Jenissej umleitet in den Aral-See, mit Stichkanälen in die Steppen und Wüsten von Kysyl-Kum und Kara-Kum. Ein Wahnsinnsplan? Ein Verrückter, dieser Dawydow? Man wird es sehen … Im Bau seit 1960 ist der Irtysch-Karaganda-Kanal, 900 Kilometer lang. In der Tadshikischen Republik, am Fluß Wachsch, entsteht das Nurek-Wasserkraftwerk. Zwei Milliarden Kilowatt Strom wird es liefern, 500.000 Hektar Land bewässern und eine Ernte bringen von jährlich einer Million Tonnen Baumwolle. Und jetzt, jetzt sind wir dran, Jugorow: Unser Sib-Aral-Kanal, das neue Weltwunder, 2.550 Kilometer lang, 200 Meter breit, 15 Meter tief, die neue Lebensader Rußlands, die Verwirklichung des Traumes von Dawydow – der Ob fließt nach Süden und nicht mehr ins Eismeer. Rußland wird nie mehr betteln müssen um einen Sack Getreide, um ein Blöckchen Butter, um ein Schälchen Reis. Wir werden das reichste Land auf dieser Erde sein mit Überschüssen für Millionen

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