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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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war nicht hell genug, um das ganze Zimmer zu erhellen. Dafür flackerte das ewige Licht vor der Madonna in der ›schönen Ecke‹ und zuckte über die grob geschnitzte und bunt bemalte Figur.
    »Natürlich schlafe ich im Stall und Sie in Ihrem Bett«, sagte Jugorow beim Eintreten. »Gute Nacht, Soja Gamsatowna.«
    »Sie schlafen im Haus!« Wie ein Befehl klang das. Gleichzeitig stieß sie eine Tür auf und zeigte in das dunkle Zimmer. »Hier ist es. Legen Sie sich hin; auch ich bin müde.«
    »Das ist ein Grund, sofort zu gehorchen.« Jugorow kam zu ihr, blickte in das Zimmer, sah im Widerschein der trüben Lampe aus dem Wohnraum ein Bett mit weißem Laken und einer weiß bezogenen Schlafdecke und blieb stehen. »Zum erstenmal werde ich im Bett einer Jungfrau schlafen«, sagte er.
    »Sehe ich so aus, als wenn ich die Männer wegschlage wie lästige Fliegen?«
    »In diesem Bett hat schon ein Mann geschlafen?«
    »Nein.«
    »Sag ich es doch! Ich bin der erste.« Er ging ins Zimmer, setzte sich auf die Bettkante und betrachtete Soja im Gegenlicht. Ihr blondes Haar war wie mit einem glitzernden Reifen umgeben. Als er zur Seite blickte, sah er, daß seine Stiefel und sein Rucksack schon an der Wand lehnten. »Wann werden Sie wach sein, Soja? Ich bin leider ein Frühaufsteher.«
    »Nicht früher als mein Vater. Er wird schon den Tee gekocht haben, wenn Sie aus dem Zimmer kommen.«
    Sie nickte ihm zu, schloß die Tür und ließ ihn allein in der Dunkelheit. Eine dumpfe, schwere Wärme lag im Raum. Jugorow zog sein Hemd aus, entledigte sich der Hose und legte sich, nur mit einer schmalen Unterhose bekleidet, auf die Schlafdecke. Müde war er wirklich, und wenn er auch an den morgigen Tag denken wollte, es gelang ihm nicht. Er glitt in den Schlaf hinein und wachte irgendwann in der Nacht auf, geweckt von seinem geradezu rätselhaft tätigen Instinkt, der ihn noch nie verlassen hatte.
    Lang ausgestreckt, unbeweglich lag er da und spannte alle Muskeln an. Jemand ist im Raum, spürte er. Ich bin nicht allein. Noch höre und sehe ich nichts … aber das Etwas ist da …
    Ein Knacken und Rascheln links von ihm, dann ein verhaltenes, aber deutliches Atmen. Ganz langsam drehte Jugorow seinen Kopf zur Seite, lautlos zog er die Knie an, um sich wegzuschnellen, wenn es nötig war. Während er noch überlegte, ob er sich vorwärts oder zur Seite werfen sollte, blinzelte kurz das Licht einer kleinen Taschenlampe auf, glitt schnell über ihn hinweg und blieb dann auf seinem Rucksack haften. Er konnte, auch wenn er die Lider bis auf einen Schlitz geschlossen hatte, nichts erkennen; für Sekunden war er geblendet, aber er wußte auch ohne Erkennen, wer es war.
    Wieder raschelte es, dann erneut der schmale Lichtschein der Taschenlampe … die Verschnürung seines Rucksackes war bereits gelöst, die Öffnung auseinandergezogen. Eine schmale Hand griff hinein.
    »Gott schuf das Weib und mit ihr die Neugier«, sagte Jugorow freundlich. »Soja, ein armer Mensch bin ich. Du wirst nichts finden.«
    Sofort, beim ersten Ton, hatte sie die Lampe ausgeknipst. Aber sie war nicht aus dem Zimmer geflüchtet, sondern kniete neben dem Bett, wartete das Ende von Jugorows Rede ab und ließ dann wieder die Taschenlampe aufleuchten. Der Strahl glitt über seinen Körper und blieb auf seiner Brust stehen.
    »Warum schläfst du nicht?« fragte sie. Wie er verfiel sie jetzt in das Du, es war wie selbstverständlich.
    »Kann es sein, daß ich auf dich gewartet habe, Soja?«
    »Nein, daran hast du nie gedacht.«
    »Ich habe immer einen leichten Schlaf gehabt. Früher, bei uns zu Hause, als kleiner Junge schon, bin ich aufgewacht, wenn eine Fliege durchs Zimmer flog. So etwas wie ein Warnsystem muß ich im Körper haben.« Er richtete sich auf den Ellenbogen auf, der Schein der Taschenlampe ging mit und heftete sich wieder an seine Schultern. »Was suchst du in meinem Rucksack, Soja?«
    »Eine Antwort: Wer bist du?«
    »Igor Michailowitsch Jugorow. Geboren in Weißrußland, in Perejaslaw bei Kiew. Mein Vater war ein Stahlarbeiter, meine Mutter arbeitete in einer Spinnerei. Ich lernte Schmied …«
    »O nein!« Der Schein der Taschenlampe irrte im Raum umher. »Nicht noch ein Schmied. Warum mußt auch du ausgerechnet ein Schmied sein!«
    »Schmied ist ein ehrlicher, schöner Beruf.«
    »Ich kenne nur einen Schmied, und von ihm bekomme ich ein Kind.« Der Strahl der Taschenlampe zuckte auf Jugorows Gesicht. Geblendet schloß er einen Moment die Augen. »Der Satan

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