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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sollte ihn holen. Wegmachen lassen soll ich das Kind! Ein Kerl wie ein Baumstamm, aber zu feig, es seiner Frau zu sagen.«
    »Ein Kind. Du bekommst ein Kind?« Jugorow blinzelte etwas, der Schein der Taschenlampe war wieder zu seiner Brust gewandert.
    »Stört es dich?« Ihre Stimme klang brüchig. »Noch weiß es keiner. Der erste bist du. Auch Väterchen ist ahnungslos. Warum sagt man es eigentlich nicht? Ist doch keine Schande, ein Kind zu bekommen, wenn man sich liebt … Bist du auch einer von denen, die jetzt hinter mir ausspucken und mich scheel ansehen?«
    »Wer ist der Vater?« fragte Jugorow und legte sich wieder auf den Rücken.
    »Der Schmied Lew Andrejewitsch Masuk.«
    »In Lebedewka?«
    »Ja.«
    »Ich werde mit ihm sprechen.«
    »Den Schädel schlägt er dir ein. Mit der bloßen Faust. Du bist groß und stark, Igor, man sieht es – aber gegen Masuk ist noch keiner angekommen.«
    »Und warum bin ich der einzige, der es erfährt?«
    »Ich weiß es nicht.« Soja erhob sich von den Knien und ging zur Tür. »Wirklich, nicht erklären kann ich's. Ich … ich habe es plötzlich gesagt. Nur eins noch, Igor, ein Messer wirst du in den Rücken bekommen, wenn du mich verrätst.«
    »Warum sollte ich dich verraten? So schön wie du bist, kann man dir alles verzeihen. Masuk ist zu beneiden.«
    »Seine Frau Svetlana ist eine von den zehn Geiseln, die man mitgenommen hat. Das ganze Dorf wird niedergebrannt werden, wenn sie redet …« Sie ließ den Lichtschein wieder in Jugorows Gesicht stoßen, schwieg einen Moment und schien ihn eindringlich zu mustern. »Du bist einer von denen, die uns vernichten wollen …«
    »Ich schwöre es, Soja: nein, ich bin keiner von denen.«
    »Du willst am Kanal arbeiten, also bist du gegen uns.«
    »Man kann auch am Kanal arbeiten, um anderen zu helfen.«
    »Den Genossen in Moskau! Den hohen, klugen Herrchen, die Pläne machen, ohne an die Menschen zu denken. Von Feldern und Gärten reden sie, von neuen Seen und Millionen Tonnen Getreide, Mais, Gemüse, von einem neuen Paradies – aber wo, wo? In den Wüsten und Steppen im Süden … wir aber werden vertrieben! Wer fragt nach uns, wer kümmert sich um uns? Hör dir Korolew an, sprich einmal mit Filaret, laß dir von Masuk erklären, was aus uns werden wird. Die Hand müßte dir abfaulen, wenn du einen Schaufelstiel anfaßt.«
    »Masuk?« sagte Jugorow fragend. »Der Vater deines Kindes? Und Korolew, ist der nicht der Dorfälteste? Wer ist Filaret?«
    »Frag nicht so viel. Geh hin und such sie dir selbst. Du wirst morgen nach Nowo Gorodjina gehen? Zu Schemjakin?«
    »Wer nun wieder ist Schemjakin?«
    »Der Genosse Ingenieur. Der Leiter dieses Bauabschnittes. Wohnt da mit Frau und Tochter wie ein Fürst. Ärztin ist die Tochter, war im Dorf und bot ihre Hilfe an. Hilfe wofür? Nur spionieren will sie, das ist es. Aushorchen, was wir denken. Weggejagt haben wir sie …« Sie knipste die Taschenlampe aus und griff nach der Türklinke. »Ich weiß nicht, warum du lügst, Igor«, sagte sie in die tiefe Dunkelheit hinein. »Du bist kein Bauarbeiter am Kanal, mach mir nichts vor! Mit seinem ganzen Körper muß ein Lügner lügen, und das kannst du nicht. Sieh dir deine Hände an; noch nie haben sie eine Hacke geschwungen. So glatt und fein wie ein Akademikerhändchen. Nicht eine einzige Hornhautstrieme. Zeig nie deine Hände her, Igor, wenn du lügst … oder lüge etwas anderes …«
    Die Tür fiel ins Schloß, Jugorow schien allein zu sein. Er wartete noch eine kurze Zeit, lauschte angestrengt in die Finsternis, ob er nicht Sojas verhaltenes Atmen hörte oder sonst ein Geräusch, das ihre Gegenwart verriet. Erst, als er sicher war, tatsächlich allein zu sein, schob er die Beine vom Bett, beugte sich vor, zog seinen Rucksack zu sich heran und wühlte sich mit der rechten Hand in die Tiefe. Einen kleinen Handscheinwerfer zog er heraus, drehte ihn auf, richtete das Licht gegen die Wand. Und nachdem er einige Wäschestücke, eine zweite Hose und einen schmalen Blechkasten mit Verbandmaterial und Medikamenten zur Seite aufs Bett gelegt hatte, kam ein rechteckiger schwarzer Kasten zum Vorschein. Jugorow klappte den Deckel auf, dann zog er aus der Seite des Kastens eine biegsame, lange Antenne und aus einem Schlitz neben den Drehknöpfen einen dünnen Draht mit einem Knopfmikrofon und einem ebenso kleinen Kopfhörer.
    Ein winziges rotes Kontrollämpchen blinkte auf, als er an einem der Knöpfe drehte, eine Zahl auf der Skala suchte und dann

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