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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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angestrengt lauschte. Mit leiser Stimme sprach er dann in das an die Lippen gehaltene Mikrofon.
    »Adler … hier Adler … Adler ruft Wolf. Wolf, bitte melden … Hier Adler … Wolf, bitte melden … Melden … melden … Hier Adler …«
    Im Kopfhörer schien eine Stimme zu sein. Jugorow nickte, Wolf war zugegen.
    »Am Ziel«, sagte Jugorow mit ruhiger Stimme. »Morgen bin ich in Nowo Gorodjina. Der Leiter heißt Schemjakin. Plan M 10/N 10. Was ist mit Q 19?«
    Ein Knopfdruck. Wolf schien zu antworten. Jugorow lehnte sich, auf dem Bett sitzend, gegen das Rückenteil, schloß einen Moment die Augen und schüttelte dann den Kopf.
    »Nein!« sagte er. »Nein. Keine unschuldigen Menschen, Grigori. Arbeiter sind's, wie alle anderen. Sie wollen leben. Weiter nichts. Tut es nicht! Nur das Material ist wichtig, die Maschinen, die Wagen, das Magazin. Das trifft sie. Ein Mensch, Grigori, hat in Rußland noch nie einen Wert gehabt. Wann sprengt ihr? Morgen? Gut. Seid vorsichtig, Freunde. Einer muß immer am Apparat bleiben. Ich weiß nie, wann ich mich melden kann. Viel Glück, Freunde …«
    Jugorow schaltete ab, verpackte alles wieder in die Tiefe seines Rucksackes, stopfte die Wäsche darüber und legte sich dann zurück ins Bett. Schnell schlief er ein … ein zufriedener Mensch braucht keinen Schlaf zu suchen.
    Am Morgen war es so, wie Soja das vorausgesagt hatte. Gamsat Wladimowitsch war schon auf den Beinen, hatte einen Blechtopf voll Tee gekocht, aus dem selbstgebackenen Laib Brot dicke Scheiben herausgeschnitten, einen Strang Butter auf ein Holzbrett getan, Zwiebeln geschält und neben den geräucherten Fisch gelegt; ein Topf mit Multebeerenmarmelade stand auf dem Tisch und ein Stück kalten Bratens … ein Hase konnte es sein. Eine festliche Morgentafel war's, so kann man es ruhig nennen.
    »Die Hälfte seines Lebens verschläft der Mensch«, sagte der alte Trofimow knurrend. »Sie schaffen noch drei Viertel, Igor Michailowitsch.«
    »Sieben Uhr ist es erst, Gamsat Wladimowitsch.«
    »Um fünf wird es hell. War schon draußen am Flüßchen und habe gefischt. Am Morgen beißen sie besonders gut an. Kommen in Schwärmen.« Trofimow setzte sich an den Tisch, goß Tee ein und zerteilte mit einem scharfen Messer das Hasenfleisch. »Warum setzen Sie sich nicht?«
    »Kann man hier baden?« fragte Jugorow. Es war eine blödsinnige Frage.
    »Baden?« Trofimow starrte Igor entgeistert an. »Baden? So in einer Wanne mit kaltem und heißem Wasser? Vielleicht noch mit Kacheln oder Marmor umkleidet? Wo sind Sie denn hier, Igor? Draußen ist der Bach, da können Sie sich hineinlegen, wenn's Ihnen Spaß macht.«
    Igor ging hinaus, ein warmer Tag war's, dehnte den Körper und lief zu dem Bach, an dem auf einer Schnur zwischen einigen Stangen Wäsche zum Trocknen hing. Nackt stieg er in das kalte, in der Morgensonne glitzernde klare Wasser, legte sich in die milde Strömung und ließ den Bach über sich hinwegfließen. Erfrischt sprang er nach einigen Minuten ans Ufer, schüttelte sich wie ein nasser Hund, nahm ein Handtuch von der Leine, trocknete sich ab und zog seine Kleidung wieder an.
    Als er zum Haus zurückkam, stand Soja in der Tür, ein Kopftuch um ihre blonden Haare und eine Schürze vor dem kurzen Rock. Im Garten war sie gewesen, hatte schon Gemüse und Gurken geholt; zwei große Körbe standen neben ihr an der Hauswand.
    »Ein Bach ist ein Geschenk Gottes«, sagte Igorow fröhlich. »Ein Häuschen an einem Bach, das habe ich mir immer gewünscht. Werd' es wohl nie haben, wird ein Wunsch bleiben … Du lebst schön hier, Soja!«
    »Ich würde lieber in einer Stadt wohnen.« Sie streckte den Arm aus und zeigte auf den Bach. »Weißt du, daß du genau an der Stelle im Bach gewesen bist, wo auch ich immer bade?«
    »Du hast mich beobachtet?«
    »Soll ich noch vor einem nackten Mann erschrecken?« Sie lachte hell, ihre Augen blitzten, ihr Körper bog sich … wie schön war sie! Verflucht schön und gefährlicher als eine Viper. »Du hast Väterchen erschreckt. ›Er badet im Bach!‹ hat er gerufen, als er in den Garten lief. Sogar sein Frühstück hat er unterbrochen, so groß war sein Schreck; nichts ist ihm sonst wichtiger als das Morgenbrot. ›Fragt mich nach einer Badewanne!‹ hat er weiter gezetert. ›Ist so was möglich? Woher kommt dieser Mensch? Sucht in Sibirien eine Badewanne! In den Sümpfen am Tobol! So blöd sieht er doch nicht aus …‹«
    Sie lachte wieder, hatte den Tonfall des Alten nachgemacht und sah

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