Sibirisches Roulette
ihn.« Mamjelew grinste breit. »In ein paar Tagen wird er durchlöchert sein wie ein Käse.«
Walja Borisowna warf noch einen geringschätzigen Blick auf Mamjelew, holte aus ihrer Arzttasche verchromte blitzende Dosen, Verbände, Tupfer, Pinzetten und Flaschen, breitete alles auf einem Handtuch auf dem Boden aus, entnahm den Dosen Klammern, Nahtmaterial und Nadeln und beugte sich dann wieder über Beljakow.
»Ich werde die Wunde nähen«, sagte sie. »Du wirst es kaum spüren, ich betäube dich örtlich.« Und leise fügte sie hinzu, indem sie sich noch tiefer über seinen Kopf beugte: »Ich glaube dir … Laß den Mut nicht sinken …«
Beljakow saß auf seinem Stuhl, als habe er nichts gehört. Wie unbeteiligt suchte sein Blick Mamjelew. Der lange Leutnant war ein wenig blaß geworden, als er die chirurgischen Instrumente sah, und zog die Unterlippe durch die Zähne. Ein zukünftiger Held zu sein, ist etwas anderes, als einem Arzt auf die Finger zu sehen. Bei den nötigen Impfungen der Rekruten durch den Militärarzt fielen meist diejenigen um, die einen Ochsen tragen konnten.
Flink waren Waljas Finger, das mußte man zugeben. Mit den Klammern zog sie den breiten Schwartenspalt zusammen, nachdem sie die ganze Umgebung mit einem Lokalanästhetikum eingesprüht hatte, fädelte dann den Faden in die Nadel und setzte den ersten Nahtknoten. Mamjelew hatte sich umgedreht; es war nicht unbedingt notwendig, jeden Handgriff zu beobachten.
»Soll ich eine Nachricht überbringen?« fragte Walja leise, während sie die Naht fortführte.
»Ich … ich lasse meine Eltern grüßen …«, flüsterte Beljakow zurück. »Und die Geschwister … alle im Haus.«
»Ist sonst noch was zu sagen?«
»Wenn Sie zu Masuk gehen … Er soll wissen, daß Svetlana Victorowna nichts verraten wird. Wir passen auf … Wenn wir alle sterben müssen … Schagin soll für uns beten … Für jeden eine Kerze soll er anzünden … und keiner soll weinen …«
»Es wird bestellt werden.«
Die Naht war beendet, und obwohl Mamjelew das Flüstern und Raunen hinter seinem Rücken hörte, drehte er sich nicht um, bis Walja spöttisch sagte:
»Sie können wieder ein starker Mann sein, Genosse Leutnant.«
Einen schönen Verband wickelte sie noch um Beljakows Kopf, schmierte ihm kühlende Salbe auf das zugeschlagene Auge und gab ihm Tabletten gegen die Schmerzen.
»Fertig! Es ist alles getan, was man tun konnte. Die Wunde braucht jetzt etwas Zeit, bis sie verheilt ist.«
»Die wird er kaum haben«, sagte Mamjelew und grinste wieder überheblich. »Welch eine Verschwendung! Sie verbinden auch noch ein Schwein, wenn es geschlachtet ist, was?«
Beljakow erhob sich von dem Stuhl, machte vor Walja eine Verbeugung und trat zur Zeltwand zurück. »Danke, Genossin«, sagte er dabei. »Auch ein kleiner Stern erhellt die Finsternis …«
Verwundert ob dieses Ausspruches blickte sie ihm nach, aber er senkte den Blick, drehte sich um und ging in den Hintergrund des Zeltes zurück.
»Der nächste!« sagte Walja mit veränderter, belegter Stimme. »Nein … zuerst die Frauen.« Sie klemmte das Stethoskop an ihren Kopf und winkte Svetlana heran. »Zuerst Sie, Genossin.«
»Soll ich mich wieder umdrehen?« fragte Mamjelew spöttisch.
»Wenn Sie ein geiler Schafsbock sind, sehen Sie zu!«
Svetlana Victorowna kam nach vorn, riß sofort ihre Bluse auf, zeigte ihre noch schönen Brüste und die Striemen, die quer darüber liefen. »Mit dünnen, nassen Lederriemen haben sie uns geschlagen!« rief sie. »›Warum, Genossen‹, habe ich geschrien, ›warum tut ihr das?!‹ Und sie haben zurückgeschrien: ›Sag uns, wo die Bomben liegen, wer die Saboteure sind, dann bekommst du Schokolade auf deine Brüste geschmiert!‹ Genossin Ärztin, wie soll ich etwas sagen, wenn ich nichts weiß? Ein friedliches Dorf sind wir. Nie hat es hier ein Verbrechen gegeben. Was will man von uns? Wenn jemand den Damm gesprengt hat – wer weiß das von uns?«
»Seien Sie still!« sagte Walja hart. »Ich bin nicht Major Nasarow. Er wird entscheiden.« Sie steckte die Stethoskopschläuche in ihre Ohren, setzte die Membrane auf Svetlanas Brust und begann mit der Auskultation. Aber sie lauschte nicht auf die Atemgeräusche und die Herztöne, sondern flüsterte ihr zu:
»Wem soll ich Nachricht geben …?«
Einen Augenblick war Svetlana wie erstarrt, dann hauchte sie zurück: »Masuk, meinem Mann.«
»In Ordnung.«
»Ist er nicht zu Hause, liegt er bei seiner Hure Soja. Fragen Sie
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