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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ablösen sollte man sie, ja ablösen, versetzen irgendwohin, wo sie Steine anheulen können und niemanden blamieren …
    Wer so etwas überlegt, dem wird es heiß unter den Haaren. Nichts ist in Rußland schlimmer, als ein Versager zu sein. Einem Dummen verzeiht man, einen Blöden bemitleidet man, einen Narren pflegt man, aber einem Nichtskönner gehört die Wüste.
    Wer will schon in die Wüste, Genossen?
    Niktin hatte zuletzt den Gedanken geäußert, den er schon zu Beginn des langen Gespräches angedeutet hatte: Man muß die Leute überzeugen. Propagandistisch muß man die ganze Sache angehen, muß argumentieren, informieren, durch Bilder und Filme, durch Zahlen und Zukunftsaussichten. Man muß ihnen vor Augen führen, wie diese Welt in zehn oder zwanzig Jahren aussehen wird, wie glücklich die Kinder und die Enkelchen einmal leben werden, wie es zum dauernden Frieden in der Welt kommen kann, wie Rußland unbesiegbar wird, unabhängig von der ganzen anderen Welt … Wer das versteht, wird keinen Damm mehr in die Luft jagen und keine Geologen- und Ingenieurtrupps mehr überfallen. Es kommt nur auf die Information an und auf die Interpretation. So könnte man das machen: Hier ist ein Häufchen Sand, daneben liegt ein großes, duftendes Brot. Kommt aus Sand Brot? Nein, nie, Genossen! Aber wenn der Sand Wasser bekommt, wird's ein Boden, auf dem Boden wächst Getreide, aus dem Getreide backt man das Brot … So einfach ist das. Wer sieht das nicht ein? Jedem ist das verständlich. Wir kranken an mangelnder Information; das muß man den Genossen in Moskau einmal deutlich sagen.
    Niktin hatte versprochen, zunächst mit der Planungsstelle in Tobolsk zu sprechen, mit dem Parteisekretär und dem Leiter der KGB-Stelle. Direkt nach Moskau einen Ruf loszulassen, erschien ihm zu gewagt. »Ziehen wir den Stier nicht am Nasenring«, sagte er, »wenn ein Bündel Klee genügt, um ihn zu bewegen. Klar sind wir uns jetzt: Die Aufklärung wird aktiviert.«
    »Sie wird scheitern an Nasarows Methoden«, warf Schemjakin ein. Schon von der Stunde an, in der Nasarow sich bei ihm vorgestellt hatte, spürte er eine tiefe Abneigung gegen den Major. Man kann sogar sagen, eine Art Haß, obwohl es keinen Anlaß gab, dieses außer der Liebe stärkste der menschlichen Gefühle – und oft verbinden sich beide – auf Nasarow anzuwenden. Von innen heraus, aus einer unbestimmten Regung, erzeugte der Anblick Nasarows bei ihm eine seltsame Übelkeit. Wenn Schemjakin ihn ansah, begriff er, über sich selbst erschreckend, daß man einen Menschen ohne Reue töten kann. Ein schauriges Empfinden, für das er keine Erklärung hatte.
    »Mit Major Nasarow ist zuerst zu sprechen«, stimmte Niktin zu. »Seine Geiselnahme ist Unsinn.«
    »Machen Sie ihm das einmal klar, Jossif Wladimirowitsch. Nasarow badet sich in einem Sendungsbewußtsein. Er wird scheitern; ich kenne die Leute von Lebedewka lange genug. Nichts, absolut nichts wird er aus den Geiseln heraushören. Aber sein Scheitern ist auch unser Scheitern … hier liegt die Gefahr. Das muß man abwenden.«
    »Immer das gleiche ist es, Boris Igorowitsch.« Niktin hob klagend beide Hände hoch in die Luft. »Jede Behörde tut, was sie will. Keine Koordination, kein Zusammenfinden, keine gegenseitigen Informationen. Jeder wurschtelt vor sich hin. General Pychtin schickt Nasarow, und ich erfahre das erst, als die Truppe schon unterwegs ist. Ich habe Order, informativ den Bau des Sib-Aral-Kanals vorzubereiten, und was geschieht? Ich sitze herum, keiner sagt mir etwas, werde plötzlich von Sprengungen überrascht und bekomme böse Worte ins Gesicht geschleudert. Und die Planungszentrale? Fragen Sie mich nicht, Genosse! Die sitzen vor dicken Akten, planen und planen und sagen: Nicht unsere Sache. Für Ruhe habt ihr zu sorgen. Ist das ein Leben!«
    Doch wie gesagt: Das gegenwärtige Hauptproblem war Major Nasarow. Als er sich von Schemjakin und Niktin verabschiedet hatte mit der giftigen Bemerkung: »Ein Gruß an das Töchterchen Ärztin; eine kluge Genossin ist sie, aber das tägliche Leben sieht anders aus als in den gelehrten Büchern …«, da hatte man aufgeatmet, und Niktin meinte, als die Schemjakina von der Haustür zurückkam:
    »Ein unangenehmer Mensch. Aber so wie er sind viele. Wenn sie eine Uniform tragen, ist alles Zivile nur Unrat für sie. Man sollte versuchen, ihn wieder nach Tobolsk zurückzuschicken.«
    »Sehr gut.« Schemjakin goß wieder Wein nach. »Sprechen Sie mit General Pychtin.«
    »Ich?

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