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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Auge, stellte er sich furchtlos vor Walja auf. Aber er spuckte nicht … sein unverletztes Auge sah sie fragend an, es war ein langer Blick voll Qual und Hoffnung, voll Frage und Erwartung, aber auch ein Blick, den Walja wie eine Berührung empfand. Sie hielt diesem Auge stand, ein paar Sekunden nur dauerte der stumme Blickwechsel, aber es war ihr, als habe man sich in dieser kurzen Zeit viel, viel erzählt.
    »Aha, der Mörder!« hörte sie hinter sich Mamjelew sagen. »So ist's gut. Spuck aus, du Hundesohn … keine Arbeit haben wir dann mehr mit dir …«
    »Der Mann ist verletzt, Genosse Leutnant«, sagte Walja ruhig, stellte ihre Sanitätstasche auf die Erde und klappte sie auf. »Lassen Sie einen Stuhl holen, auf den er sich setzen kann, wenn ich ihn behandele.«
    »Behandeln wollen Sie ihn?« rief Mamjelew entgeistert. »Diesen Schweinehund?! Warum noch kostbares Material verschwenden? In ein paar Tagen wird er erschossen. Ein hinterhältiger Soldatenmörder! Hier gibt es keine Behandlung …«
    »Wer ist hier der Arzt?« schrie Walja plötzlich. Sie fuhr herum, der Zorn überströmte ihr Gesicht, hart und angriffslustig waren ihre Augen und ihr lauter Ton schlug so unverhofft bei Mamjelew ein, daß dieser zusammenzuckte. »Einen Stuhl! Einen Stuhl her! Zwei Eimer mit Wasser. Einer kalt, der andere warm … Handtücher … vier Stück … und eine stärkere Lampe …«
    »Sofort, Genossin! Auch noch ein weißbezogenes Bett, eine hübsche Schwester, ein Tablett mit Stör, Kaviar und Pilzgemüse? Ein Fläschchen Krimwein gefällig? Und wenn er dann ein sattes Rülpserchen macht, weiß man, daß der gute Beljakow gesund ist …« Mamjelews Spott troff nur so von seinen Lippen. »Jeder Wunsch wird erfüllt …«
    »Sie lassen einen Stuhl kommen, Genosse Leutnant«, sagte Walja ruhig, aber in dieser Ruhe war eine deutliche Drohung verborgen, »oder der Himmel möge verhüten, daß ein Arzt zu Ihnen kommt, wenn Sie jemals einen brauchen.«
    Mamjelew starrte sie an, verzichtete auf weitere Streitereien, ging vor den Zelteingang und brüllte hinaus: »Einen Stuhl. Zwei Eimer Wasser, kalt und heiß. Vier Handtücher. Glotzt keine Löcher in die Nacht! Sofort hierher mit den Dingen!«
    Schweigsam stand man herum, umgeben von dem bestialischen Gestank der Fäkalieneimer, nur die Masuka weinte an der Zeltwand, und Marfa Jakowna lag auf den Knien und murmelte Gebete. Beljakow ließ keinen Blick seines einen Auges von Walja, aber sie schaute ihn nicht an, drehte ihm sogar den Rücken zu und wartete auf den Stuhl.
    Als er endlich hereingetragen wurde, ein wackeliger, zusammenklappbarer Feldstuhl aus Segeltuch, winkte sie stumm zu Beljakow hin und trat erst an ihn heran, als er saß. Nun kamen auch die zwei Eimer mit heißem und kaltem Wasser und die Handtücher. Ein Unterleutnant und zwei Küchensergeanten brachten sie, neugierig, was da im Zelt geschah, starrten Walja und Mamjelew verwundert an und hatten keine Erklärung für das, was sie sahen.
    »Hast du den Soldaten ermordet?« fragte Walja, als sie sich über Beljakows Kopf beugte.
    »Nicht ermordet. Gezwungen wurde ich, ihn zu erschießen.«
    »Von wem?«
    »Major Nasarow.«
    »Lüge!« ließ sich hinter Walja Leutnant Mamjelew hören. »Genug Zeugen gibt es, die das Gegenteil erklären. Von hinten wurde Kulinitsch ermordet … Man kann Ihnen die Leiche zeigen, wenn Sie es wollen. Von hinten in den Kopf, mit einem Schrotgewehr. Auch das Gewehr können Sie sehen.« Mamjelew hob seine Stimme. »Genossin, wollen Sie wirklich noch immer diesen Meuchelmörder behandeln?«
    »Das Dorf habe ich damit gerettet …«, sagte Beljakow, und sein unverletztes Auge zuckte heftig. »Meine alten Eltern, die Geschwister, die Großeltern … und ich hatte Angst … Angst bis zum Herzen … Mein Leben ist wirklich nichts mehr wert …«
    Walja nickte ihm beruhigend zu, tauchte ein Handtuch in den Eimer mit heißem Wasser, wrang es aus und wusch Beljakows Kopf vom geronnenen Blut frei. Eine dicke Schicht hatte auf dem Gesicht gelegen, und er hielt es ihr entgegen, mit geschlossenen Augen, als sei es ein überwältigender Genuß, seine Wunden freizulegen. Erst als sie das Handtuch wieder in den Eimer tunkte, dessen Wasser sofort rot wurde, öffnete er die Augen und sagte leise: »Danke …«
    Sie antwortete nicht, begann seinen Kopf zu untersuchen, sah die klaffende Spalte auf seiner Kopfschwarte und blickte hinüber zu Mamjelew.
    »Was hat man mit ihm gemacht?«
    »Gekitzelt hat man

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