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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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schlimmer kommen. Wie man's auch wendete, es war immer falsch. Der beste Ausweg schien, es zunächst dem wachhabenden Offizier, dem Leutnant Mamjelew, zu melden.
    »Ich frage an, Genossin«, sagte der junge Rotarmist verlegen. »Kein Mißtrauen gegen Sie, Genossin Ärztin, doch da gibt es den Befehl, keinen ins Lager zu lassen. Sie verstehen, ich kann das nicht entscheiden.«
    Er trat etwas zurück, hängte sich die MP um den Hals, schnallte vom Koppel das Funksprechgerät und führte es nahe an den Mund. Der Fahrer umklammerte das Lenkrad, sah Walja nicht gerade mutig an und verfluchte die Minute, in der gerade er an ihr hatte vorbeifahren müssen.
    Das Funkgespräch war kurz. Leutnant Mamjelew schien ebenso überrascht und ratlos zu sein. Er kannte Major Nasarow noch besser als die Soldaten, und wenn da eine Ärztin vor dem Lager stand und sagte, sie hätte einen Auftrag von ihm, dann sollte man nicht zu viel fragen. Eine Ärztin ist schließlich kein Spion und kein Terrorist. In eine böse Lage könnte man da hineinrutschen.
    »Passieren!« sagte der Posten, als er wieder zu Walja kam. »Sie können passieren. Aber bei Leutnant Mamjelew müssen Sie sich melden.«
    Walja nickte, ging um den Lastwagen herum, kletterte wieder neben den Fahrer auf den hohen Sitz und zog mit einem energischen Ruck auf ihrer Seite die Tür zu.
    »Fahr!« sagte sie hart. »Verdammt, mach deine Tür zu und fahr! Du hast gehört: Wir können hinein!«
    »Die werden entdecken, daß Sie gelogen haben, Genossin.«
    »Dann bin ich längst am Ziel.«
    »Und mich prügeln sie bis aufs Blut.«
    »Nichts wird man dir tun, ich verspreche es dir. Hock nicht herum wie ein Kaninchen, fahr los!«
    Sie fuhren die Straße weiter, dem Waldrand zu, und sahen das Zeltlager der Truppe nach einer scharfen Biegung vor sich liegen. Erstaunlich war, was man in der kurzen Zeit bereits aufgebaut hatte. Aus einem großen Küchenzelt dampfte es aus blechernen Schloten. Der Geruch von Kartoffelsuppe war so stark, daß einem das Wasser im Mund zusammenlief. In zwei Reihen, wie auf einer geraden Schnur ausgerichtet, parkten die Wagen. Davor stand, wie ein Kommandant, ein Panzer. Zwei lange Zelte schienen für Material bestimmt, und an der festen Kommandantur aus Baufertigteilen wurde noch gearbeitet. Man hämmerte gerade das Dach zusammen.
    Leutnant Mamjelew empfing Walja auf dem Platz, um den sich die Zelte gruppierten. Höflich grüßte er, als sie aus dem Wagen sprang und ihre Arzttasche vom Sitz zog. Er war ein langer, schlaksiger Mensch, zwei Köpfe größer als Walja; ein ehrgeiziges Bürschchen, das sich ausrechnete, dieser Einsatz hier im Sumpf könnte seiner schnellen Beförderung dienen.
    »Wer ist hier krank, daß ein Arzt kommen muß?« fragte er, nachdem er Waljas Gestalt mit einem bewundernden Blick abgetastet hatte. »Genossin, wir haben unsere eigenen Sanitäter mitgebracht. Ernsthaft Kranke fliegen wir zurück nach Tobolsk. Auch von den Gefangenen ist keiner krank.«
    »Verletzt … verletzt sind einige, Genosse Leutnant. Ziehen Sie kein Gesicht; von Major Nasarow weiß ich's!«
    Mamjelew kam sichtbar in Schwierigkeiten, genau wie vorhin draußen der Posten. Was wußte man, welche Anordnung Nasarow getroffen hatte? Wer wagte es, ihn in Gorodjina zu stören und dumme Fragen zu stellen? Von selbst kam eine Ärztin nicht ins Lager, bepackt mit einer großen Sanitätstasche. Jedoch, denkt man in Tatsachen, war keine der Geiseln so schwer verletzt, daß nicht auch der Sanitäter helfen konnte. Ein paar Schrammen und Beulen, blaue Striemen oder ein paar Risse am Kopf – wer nimmt das wichtig? Hundekerle sind sie alle, Schufte, hündische Huren … ha, brauchen die einen Arzt?! Aber wenn Nasarow es doch befohlen hat? Wer weiß es? Möglich ist alles bei ihm. Zuzutrauen ist ihm jede unverständliche Entscheidung. Soll man hinterher dastehen wie ein Tölpel?
    »Kommen Sie mit, Genossin«, sagte Mamjelew nach sichtlich angestrengtem Nachdenken. »Allein. Der Fahrer bleibt im Wagen.«
    Der Mann hinter dem Steuer atmete auf und nickte mehrmals. »Mich geht's nichts an, Genosse Leutnant!« rief er durch das heruntergekurbelte Fenster. »Hab' sie nur hergebracht, weil sie's wollte. Was befehlen Sie, Genosse Leutnant?«
    »Warten!« Waljas Stimme ließ keine Diskussion mehr zu. »Du wartest und fährst mich zurück. Soll ich zu Fuß gehen?«
    »Ist's so, Genosse Leutnant?«
    »Jaja, warte.«
    Mamjelew setzte sich in Bewegung, ging vor Walja her und fragte sich bei

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