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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zu Schemjakin hinunter. Der Rotorflügel heulte auf, durchwirbelte die warme Mittagsluft … ziemlich schnell erhob sich die Riesenlibelle vom Boden, stieg senkrecht hoch, schwenkte dann in einen Bogen ein, noch einmal winkte Niktin mit beiden Händen Schemjakin zu, dann drehte der Hubschrauber ab und entfernte sich ratternd nach Norden.
    Langsam, nachdenklich ging Schemjakin zurück auf den Weg, wo Jugorow, auf dem Motorrad sitzend, alles beobachtete und wartete.
    »Ein schöner Tag«, sagte er. »Seien Sie gegrüßt, Genosse.«
    Schemjakin blieb stehen und musterte den Fremden. So angeredet zu werden, erweckte Interesse. Die meisten Männer, die ihm begegneten, tippten nur wortlos an die Mützen, und wenn man sie nicht ansprach, gingen sie stumm weiter. Was war auch zu sagen bei diesem mistigen Leben in den Sümpfen am Tobol!
    »Sie sind fremd hier?« fragte Schemjakin.
    »Gerade einen Tag alt. Habe ich die Ehre, mit dem Genossen Schemjakin zu sprechen?«
    Auch das war ein neuer Ton am Tobol. Schemjakin begann, sich für diesen jungen, blondhaarigen Burschen zu interessieren. Er kam näher und fand, daß der Mensch einen guten offenen Blick hatte und ein geradezu fröhliches Gesicht, als sei die ganze Welt für ihn ein Rummelplatz.
    »Ja, Sie sprechen mit Schemjakin.«
    »Igor Michailowitsch Jugorow heiße ich. Welche Freude, gleich auf Sie zu treffen. Zu Ihnen wollte ich, Genosse.«
    »Zu mir?«
    »Betrachten Sie mich genau.« Jugorow reckte sich, wölbte die Brust und winkelte die Arme an, um seine Muskeln zu zeigen. »Was sehen Sie, Genosse Schemjakin? Na? Nein, erraten werden Sie es nie: Vor Ihnen steht der beste Traktorfahrer der Welt.«
    Schemjakin mußte lachen, winkte ab und schüttelte den Kopf. »Wenn Sie so Traktoren fahren, wie Ihr Mundwerk arbeitet …«
    »Besser, Genosse, besser! Überzeugen Sie sich.«
    »Sie wollen bei uns arbeiten, Igor Michailowitsch?« fragte Schemjakin verblüfft.
    »Nur wenn ein Traktor frei ist. Bei allem anderen bin ich Mittelmaß. Ist's möglich, daß Sie mich gebrauchen können?«
    »Kommen Sie mit!« Schemjakin winkte mit dem Kopf, ging zu seinem Jeep, stieg ein und fuhr nach Nowo Gorodjina zurück. Jugorow folgte ihm auf dem Motorrad, schluckte tapfer den aufgewirbelten Staub und war mit sich sehr zufrieden.
    Eine Stunde später war er Mitglied der Baubrigade, besichtigte seinen Traktor, ein Modell aus der Traktorenfabrik von Wolgograd, und bezog das Zimmer 21 im Block X des Lagers. Ein Einzelzimmer im neuen Barackenbereich. Jugorow gratulierte sich, warf sich auf die harte Matratze und sagte zu dem Vorarbeiter, der ihn eingewiesen hatte:
    »Wie ist's hier mit Weibern, Brüderchen?«
    »Frag nicht! Eher regnet es Gold vom Himmel.«
    »Wie ist's in Lebedewka?«
    »Dort schlagen sie dich tot. Eine Eingabe haben wir schon gemacht bei dem Genossen Schemjakin. Eine ganze Brigade in dieser Einsamkeit. Ein Puff muß her, haben wir gefordert.«
    »Die Küchenmädchen, die in der Wäscherei …?«
    »Sind festgenagelt für die Kolonnenleiter. So ist's ja immer, lieber Freund: Hat man ein Pöstchen, heben sich auch die Röckchen. Wer sieht uns arme Arbeitshunde an? Wirst's noch spüren, wenn du länger hier bist. Schikanieren werden sie dich, wenn du einer aus der Küche auch nur zublinzelst. Wärst besser weitergefahren bis Tobolsk.«
    »Nun bin ich einmal hier und bleibe auch hier«, sagte Jugorow und spuckte kunstvoll an die Wand. »Gib mir den Schrieb her … den, daß ein Puff her muß. Ich unterschreibe auch.«
    Der Vorarbeiter nickte, verließ das Zimmer und sagte draußen zu einigen Arbeitern, die er traf: »Der Neue ist gut, glaubt es mir. Unterschreibt den Puff-Aufruf. Nehmen wir ihn in unsere Mitte …«
    Nach dem Mittagessen – es gab Sülze mit fettigen, gebratenen, kleinen ganzen Kartoffeln – ging Jugorow zum Magazin und ließ sich Bettwäsche, Decken, Handtücher, Seife, einen Arbeitsanzug und derbe Schuhe geben.
    »Und Strümpfe?« fragte er.
    »Strick dir welche.«
    »Rasierseife?«
    »Schmier dir dein Gesicht mit Scheiße ein.«
    »Ein guter Vorschlag – wenn du's vormachst!«
    Er schleppte seine Ausstattung in sein Zimmer, bezog Matratze und Decke und verstaute alles andere in dem schmalen Schrank aus lackiertem Blech. Was nun, dachte er danach. Am nächsten Morgen beginnt erst die Arbeit. Zeit genug, sich die Umgebung anzusehen. Fahren wir mal hinüber zu den Soldaten. Ja, und da war da noch die Frage: Wie bekommt Soja ihr Motorrad wieder? Hinbringen konnte

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