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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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so freundlich zu mir …«
    »Natürlich winken sie dir alle zu.« Ihre Lippen verengten sich zu einem Strich. »Das erste, was du hier getan hast, war deine Unterschrift unter dem Aufruf. Einen Puff willst du. Scheinst ihn nötig zu haben!«
    »Die Genossin Ärztin hätte das bei einer eingehenden Untersuchung feststellen können. Aber sie wurde ja abgebrochen.«
    Sie warf den Kopf in den Nacken, ging an Jugorow vorbei und verzichtete auf eine Antwort. Aber ein wenig rot im Gesicht war sie geworden, meinte Jugorow festzustellen, und ihr Gang schien unsicherer als sonst zu sein, weil sie wußte, daß er ihr lange nachblickte und den Schwung ihrer Hüften, ihre schlanken Beine und ihre schmale Taille bewunderte.
    Beim Einbruch der Dunkelheit setzte sich Jugorow auf das Motorrad und fuhr nach Lebedewka zurück. Wo die Zufahrtsstraße von Nowo Gorodjina in den Weg zum Dorf mündete, traf er auf einen Jeep, in dem Major Nasarow saß. Sofort bremste der Major und winkte Jugorow zu sich. Gehorsam stieg Jugorow ab.
    »Zum Dorf?« schrie ihn Nasarow an.
    »Da sind Sie falsch, Genosse Major. Hier geht's nach Nowo Gorodjina.«
    »Ob du ins Dorf fährst, du Idiot?«
    »Ah, wir kennen uns? Kein gutes Gesichtsgedächtnis habe ich. Wo waren wir zusammen? In welcher Anstalt?«
    Noch nie war Nasarow so etwas widerfahren. Tief Atem holte er, für zwei Sekunden blieb ihm die Sprache weg, aber dann brüllte er, daß Jugorow die Zugluft spürte.
    »Einsteigen! Verhaftet bist du! Saukerl, verfluchter! Willst du wohl kommen? Soll ich dir nachhelfen?«
    Nasarow riß seine Pistole aus der Ledertasche und schob den Sicherungsflügel mit dem Daumen zurück. Jugorow bockte das Motorrad auf dem Rastständer auf und ging ohne ein Zeichen von Angst oder Betroffenheit auf Nasarow zu. Vor dem Wagen, an der Tür, blieb er stehen und zeigte auf die Pistole:
    »Verboten ist das, Genosse Major.«
    »Hier ist nichts verboten!«
    »Dann schießen Sie.« Jugorow stellte sich breit vor Nasarow auf. »Das Ziel können Sie nicht verfehlen.«
    »Du Tatarenbastard!« Nasarow ließ die Pistole sinken. Auch dies erlebte er zum erstenmal, daß einer nicht vor ihm zitterte und bebte, sondern sich statt dessen hinstellte, die Brust wölbte und ganz ruhig sagte: »Erschieß mich doch …« Was für ein Mensch ist so ein Kerl? Ist das nicht unnatürlich, ganz ohne Angst zu sein? »Wie heißt du?«
    »Igor Michailowitsch Jugorow, Genosse Major!« Und dann folgte wieder eine Frage, die nie ein anderer gestellt hätte: »Und Sie?«
    »Leonid Antonowitsch Nasarow«, antwortete der Major zu seiner eigenen Verwunderung. »Du willst zum Dorf?«
    »Ja.«
    »Sag den Schuften: Die Geiseln werden übermorgen hingerichtet. Die Frauen erschossen, die Männer aufgehängt.«
    »Ohne Gerichtsverfahren?«
    »Das Gericht bin ich!« brüllte Nasarow und zeigte mit der Pistole auf das Motorrad. »Fahr weiter, du Hundekerl! Von mir hören wirst du noch, Jugorow …«
    »Das glaube ich auch, Genosse Major.« Jugorow sah ihm starr in die Augen. »Wir werden noch viel voneinander hören.«
    Zum Motorrad ging er zurück, trat es an und ratterte lach Lebedewka davon. Nasarow blickte ihm mit zusammengekniffenen Augen nach, steckte die Pistole in die Lederhülle und schürzte dabei die Lippen.
    Jugorow … ein Name, den man sich merken mußte. Wer war Jugorow?
    Mißmutig, verärgert, fuhr Nasarow weiter nach Nowo Gorodjina, hielt vor Schemjakins Haus, klopfte an und sagte, als Schemjakin ihm öffnete, ohne Einleitung:
    »Gute Beziehungen haben Sie in Moskau … anerkennen muß man das … aber Sie verkennen meine Standhaftigkeit, Boris Igorowitsch …«
    Zweimal hieb Masuk an diesem Abend mit beiden Fäusten gegen die Wand seines Hauses. Das erstemal geschah es, als er an diesem warmen Abend auf der Bank im Vorgarten saß, noch einmal überdachte, was Walja Borisowna ihm von seiner Frau Svetlana aus dem Militärlager erzählt hatte, und als er auf einmal plötzlich und unerwartet Jugorow auf Sojas Motorrad an sich vorbeifahren sah. Er sprang auf, um Jugorow heranzuwinken, doch da war er schon vorbei. Das gebrüllte »Bleib stehen!« wurde vom Knattern des Motors aufgesaugt.
    Das zweitemal drosch er auf die unschuldige Wand ein, als das Motorrad zurückkam. Jetzt saß Soja im Sattel, und hinter ihr klemmte Jugorow auf dem schmalen Gepäckträger, die Arme um ihren Bauch gelegt, um sich festzuhalten. Sie lachten fröhlich, schienen großen Spaß miteinander zu haben und sahen nicht einmal zur

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