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Sibirisches Roulette

Sibirisches Roulette

Titel: Sibirisches Roulette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schemjakin gab gerade mit vorsichtigen Worten zu verstehen – er kannte ihren wahren Auftrag ja nicht –, daß für Geologen kein Neuland mehr vorhanden sei. Alles sei vermessen, kein Geheimnis gebe es mehr bei den Bodenbeschaffenheiten. Da flogen durch die fürchterliche Explosion die Scheiben aus Schemjakins Büro, mitgerissen von dem riesigen Sog. Während Schemjakin sich vor Schreck nur an die Wand lehnte, warfen sich Krasnikow und Meteljew auf den Boden, so wie sie es bei Gorkij gelernt hatten.
    Minuten später standen alle drei an der Stelle, wo einmal das Maschinenlager gewesen war. Die Halle gab es nicht mehr. Die wertvollen Maschinen waren zu bizarren stählernen Gebilden zerrissen. Die Balken und Holzfertigwände brannten. Ein tiefes Loch war in die Erde gesprengt …
    Mit versteinertem Gesicht wandte sich Schemjakin ab. Die Feuerwehr, die mit Sirenengeheul heranpreschte und, hundertmal geübt, die Schläuche in wenigen Minuten ausgerollt hatte, bekämpfte völlig sinnlos einen Brand, der nichts mehr bedrohen konnte, weil ohnehin schon alles zerstört war.
    Schemjakin hatte sich auf einen weggeschleuderten Schemel gesetzt, kraftlos, als habe die Explosion auch seine Knochen zerstört, und starrte vor sich hin. Erst der Damm, jetzt das Maschinenlager … laßt uns nach Hause fahren, Genossen. An diesem Mittag hat man uns die Hände abgehackt …
    Von der Sanitätsstation her raste Walja mit ihrem Jeep heran. Sie bremste kreischend, stürzte auf ihren Vater zu und starrte genau wie er entsetzt auf den brennenden, qualmenden Trümmerhaufen.
    »Ist jemand verletzt?« rief sie. »War jemand in der Werkstatt? Warum spritzen sie nur Wasser hinein … warum sieht keiner nach?!«
    Wegrennen wollte sie, hinüber in das Chaos – aber sie kam an Krasnikow nicht vorbei; er hielt sie fest. Ein schneller Blick zu Meteljew, und sie verstanden sich: das Nachtvögelchen! Hat ein Nestchen nebenan beim Nachbarn. Wer kann ihr's verwehren? Ein kräftiger, schöner Kerl ist er, der Genosse Wand an Wand. Und mutig ist sie, will sich in die noch glühende Ruine stürzen.
    »Wenn jemand drin war«, sagte Krasnikow und umklammerte ihren Arm, »hilft selbst ein Pflästerchen nicht mehr. Auch Salben braucht er nicht mehr. Kann sein, daß man ihn später zusammensetzen muß.«
    »Loslassen!« schrie Walja, und ihr wilder Blick traf Krasnikow bis ins Herz. »Ärztin bin ich! Lassen Sie los!«
    »Dort gibt es niemanden mehr, dem du helfen könntest«, sagte Schemjakin und erhob sich seufzend von dem Schemel. Er legte den Arm um Walja und wandte sich an Krasnikow und Meteljew. »Meine Tochter … das ist meine Tochter Walja … Und das, Töchterchen, sind die neuen Geologen Krasnikow und Meteljew, extra aus Moskau gekommen, um uns zu helfen. Einen Empfang haben sie jetzt erlebt, der ihnen zeigt, was sie hier erwartet. Fühlen Sie sich wohl bei uns!«
    Die ganze Bitterkeit eines zutiefst verstörten Menschen lag in diesen Worten; kein Spott, keine Ironie – nur eine grenzenlose Hilflosigkeit und Trauer.
    »Ein Spezialist war hier am Werke«, berichtete zwei Stunden später Meteljew und wies auf einige gefundene Splitter, die er in einem Plastikbeutel sichergestellt hatte. Schemjakin saß am Telefon, er hatte an die Zentrale in Tobolsk einen Bericht durchgegeben. Das Feuer war gelöscht, die Trümmer hatte man durchsucht, aber keinen zerfetzten Leib gefunden. Keine einzige Maschine war mehr brauchbar, die Zerstörung vollkommen – eine vorzügliche Arbeit der Saboteure. »Interessantes haben wir gefunden!« Meteljew legte den Plastikbeutel auf den Tisch. »Teile einer Uhr, einer Weckuhr … Einen Zeitzünder hat der Kerl gebraucht, eingestellt auf die Mittagszeit. Er wußte, daß dann alle weg waren zum Essen, er wollte keine Toten. Nur das Material sollte vernichtet werden.«
    »Ein lieber Mensch.« Schemjakin stützte den Kopf in beide Hände. »Muß ich ihn nicht umarmen und küssen, wenn er vor mir steht?«
    Es klopfte kurz, die Tür flog auf, und Schemjakins Stellvertreter – der Ingenieur Fjodorow – stürzte in den Raum. Rot wie ein Ziegelstein war er vor Zorn und stotterte vor Erregung: »Abgesperrt hat er alles … will jeden verhören … befiehlt alle in die Kantine … sechs Leute hat er schon geschlagen …«
    »Wer?« fragte Krasnikow, noch nicht informiert über alle Vorkommnisse im Lager.
    »Major Nasarow!« schrie Fjodorow. »Benimmt sich wie ein tollwütiger Hund.«
    Krasnikow schüttelte den Kopf, winkte Meteljew

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