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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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Freude. Er streckte den Arm aus und übernahm das Klingeln selbst.
    Wieder geschah nichts, doch plötzlich wurde die Tür geöffnet, und eine ältere Dame trat heraus. Sie hatte eine grellgelbe Umhängetasche dabei, sodass Mayers vermutete, sie befand sich auf dem Weg zum Einkauf.
    »Entschuldigung«, sprach er sie an. »Familie Trebko?«
    »Dritter Stock links«, war die knappe Antwort, dann ging die Frau ihres Weges.
    Tallwitz streckte den Arm aus, um zu verhindern, dass die Tür ins Schloss fiel. Zusammen betraten sie den langen Hausflur und marschierten die Treppe hinauf. Sowohl Mayers als auch Tallwitz beschlich ein ungutes Gefühl. Keiner von beiden hätte sagen können, worauf dieser Vorbehalt beruhte. Es war eher eine unsichere Vermutung als eine klare Befürchtung. Dennoch nahmen beide schon auf der zweiten Treppe ihre Waffen hervor und begannen wie auf Kommando zu schleichen.
    Ihre Vorahnung bestätigte sich, als sie einen ersten Blick auf die Wohnungstür im dritten Stock werfen konnten. Sie stand offen.
    Die beiden Polizisten eilten sich. Tallwitz hielt seine Waffe schussbereit, während Mayers sich vorsichtig der Tür näherte und sie langsam öffnete.
    Das Bild, das sich ihnen bot, kam ihnen äußerst bekannt vor. Die Wohnung war gänzlich verwüstet worden. Die Möbel lagen verstreut und teilweise zerschlagen in dem riesigen Innenraum. Die Vorhänge waren von den Fenstern abgerissen und über die Möbelreste gelegt worden.
    »Wir kommen zu spät«, flüsterte Mayers und trat vorsichtig ein.
    Hintereinander stiegen sie über die am Boden liegenden Möbel. Über zerschlagenes Glas und zerbrochenes Geschirr.
    Mayers bewegte sich auf das riesige Fenster zu, das offen stand. Er beugte sich vor und schaute hinaus. Was er dort, vor dem Haus, suchte, das wusste er selbst nicht so genau. Vielleicht einen Menschen auf der Flucht, vielleicht einen Hinweis auf den Täter oder auf das Ehepaar, das hier lebte. Doch mit dem, was er erblickte, hätte er niemals gerechnet. Drei Stockwerke tiefer, direkt vor dem Haus, sah er die alte Frau, die ihnen die Tür geöffnet hatte. Noch immer hielt sie ihre gelbe Einkaufstasche in der Hand. Sie hatte sich Mayers zugewandt, und nun winkte sie ihm sogar zu. Dann allerdings legte sie ihre Einkaufstasche ab und streckte die Arme aus.
    Mayers glaubte sich erst zu täuschen, doch dann war er sicher, dass die Veränderungen, die mit der Frau vor sich gingen, echt sein mussten.
    Zunächst wechselte ihre graue Haarfarbe in ein tiefes Schwarz. Dann dehnte sich ihr rundes Gesicht in die Länge, während gleichzeitig alle Falten aus dem Gesicht verschwanden.
    Mit vor Erstaunen weit geöffneten Augen beobachtete Mayers, wie sich die alte Frau in einen Mann verwandelte, der diabolisch zu ihm hinaufgrinste. Und Mayers hätte schwören können, dass die Augen des Mannes rot leuchteten und er aus seiner Nase weiße Rauchschwaden ausstieß, bevor er sich umdrehte und davonrannte.
    Mayers stand wie gelähmt am Fenster und versuchte zu verarbeiten, was er gerade gesehen hatte. Und dann wurde es ihm bewusst: Er war diesem Jachael begegnet, von dem Rouven erzählt hatte.
    Tallwitz bemerkte von alledem nichts. Er brannte darauf, etwas ganz Bestimmtes zu erfahren. Er musste Gewissheit haben. Jetzt.
    Tallwitz drehte sich zu der offenen Wohnungstür um und legte eine Hand auf die Türklinke. Langsam zog er die Tür zu. Und seine Vermutung bestätigte sich. Nun hatte er Gewissheit. Denn wie er erwartet hatte, befanden sich auf der Tür dieses Mal keinerlei Symbole. Kein Sichelmond, keine Vogelkralle und kein Buchstabe. Und ihm war klar, dass dies nichts Gutes bedeuten konnte. Der Täter war von seinem Muster abgewichen. Er hatte außerhalb der Neumondnachtzugeschlagen, und er hatte die Symbole, die auf Rouven hinwiesen, nicht angebracht.
    Und für Tallwitz gab es nur eine Begründung dafür. Das alles ließ nur einen einzigen Rückschluss zu: Rouven befand sich in allerhöchster Gefahr. Und mit ihm ganz bestimmt auch alle verschwundenen Personen.

D ie Wucht, mit der Rouven die hölzerne Tür aufstieß, ließ die ganze Kapelle erbeben. Beinahe atemlos von seinem langen Lauf hierher stellte er sich in die Mitte des Raumes.
    »Ich bin hier!«, schrie er dem Fensterbild zu. »Hier wolltest du mich haben, und hier stehe ich nun. Zeig dich!«
    Nichts geschah. Rouven wischte sich den Schweiß aus dem Gesicht, drehte sich um und schloss erst einmal die Kapellentür. Dann baute er sich erneut vor dem

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