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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Gemmel
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geben, die ausgefüllt sind mit dem Wunsch, meine Ziele durchzusetzen. Die Welt, wie du sie kennst, wird es nicht mehr geben. In wenigen Jahren wird kaum etwas von dem übrig sein, für das es sich zu leben lohnt, wenn du dich nicht meinem Willen unterwirfst. Ein paar Jahre nur, und   …«
    Rouven hob die Hand und brachte Jachael zum Schweigen. »Du sprichst gerade so, als hättest du den Kampf bereits für dich entschieden«, sagte er und brachte Jachael damit laut zum Lachen.
    »Oh, glaub mir, die Sache ist so gut wie entschieden. Ich habe viel Zeit damit zugebracht, mich auf diesen Kampf vorzubereiten. Während du ein paar Jahre im luftleeren Raum und ein paar Monate auf dieser Weltkugel zugebracht hast, ohne überhaupt zu wissen, wer du bist und welche Fähigkeiten du hast. Ich werde dich mit einem Fingerschnippen von der Erde fegen, und dann wird sich mein Plan erfüllen.«
    Erneut grinste er fratzenartig. Er schnalzte mit der Zunge und trat mit einem seiner Hufe so auf die Erde, dass augenblicklich eine meterhohe Flamme emporzüngelte. Die Hitze und der Brandgeruch in der Kapelle verstärkten sich.
    Rouven fiel es nicht leicht, seine Angst und seine Bedenken zu verbergen.
    Allerdings entging Jachael Rouvens Zögern nicht. Deshalb versuchte er, sein Gegenüber weiter zu locken: »Du darfst nicht vergessen, was dir im Falle eines Sieges winkt«, sagte er. »Du bist mich dann los. Endgültig. Für immer. Die vielen kleinen, verletzlichen, zarten Seelen deiner versteckten Halle hätten Ruhe vor mir. Du hättest Ruhe vor mir. Deine Seelenschützer würden wieder alle sieben Jahre dein Kommen erwarten. Und vor allem   … vor allem   …«
    Mit einer Hand griff er hinter sich und zog ein großes Glas hervor, in dem zwei menschliche Herzen in einer klaren Flüssigkeit schwammen. Rouven glaubte erst, sich zu täuschen, doch bei näherem Hinsehen war er sicher: Beide Herzen pochten noch.
    »Dies ist mein abschließendes Geschenk an dich, für den Fall, dass du gewinnen solltest«, fuhr Jachael weiter fort. »Eine Aufmerksamkeit des Hauses sozusagen. Die Spezialität des Tages: Die Herzen deiner Lieben. Im Falle eines Sieges gehen diese Herzen auf Tabitha und Nana über, und sie werden wieder Menschen sein. Unversehrt. So, wie du sie kennst und magst und liebst oder was für ein scheußliches Wort dir sonst für diese menschliche Schwäche einfällt.« Er hielt das Glas dicht vor Rouvens Augen. »Na, wie sieht es aus? Schnappt sich die Maus den Käse? Hm?«
    Noch immer zögerte Rouven. Zu viel stand auf dem Spiel, als dass er jetzt einfach hätte handeln können. Vorhin, als er rasend vor Wut hierhergelaufen war, war er fest entschlossen gewesen, doch jetzt   …
    Jachael ging das alles zu langsam vonstatten. Er legte seinen ironischen Ton ab und sagte bestimmt: »Was überlegst du noch lange? Ist dir nicht längst klar geworden, dass du keine andere Chance hast? Ich werde mir ohnehin nehmen, was ich möchte. Mit dir als Leiche oder an dir vorbei. Die Halle der Seelen ist unbewacht, seit du dich für die Menschlichkeit entschieden hast. Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis ich den Zugang dorthin finde. Vielleicht reicht es ja schon aus, wenn ich ein paar deiner Seelenschützer quäle und foltere. Die haben ohnehin nicht mehr lange zu leben, wenn du dich gegen mich entscheidest. Und schließlich   …« Er hob das Glas mit den pochenden Herzen hoch über seinen Kopf. »Ich muss dieses Glas nur einmal fallen lassen, und dann ist alles dahin, wofür du jemals kämpfen wolltest. Oder?«
    Rouven schrie auf. »Nicht!«, flehte er Jachael an.
    Der wurde wieder zynisch: »Ah, jetzt wird er wach, unser Romeo. Du bist tatsächlich schon ein echter Mensch geworden. Diese Sache mit der Liebe   …«
    In Rouven überschlugen sich die Gedanken. Und schließlich verlor Jachael endgültig seine Geduld.
    »Was zögerst du noch!«, schrie er Rouven an. »Stell dich endlich!« Aus seinen Nasenlöchern drang weiterer grauer Rauch. Die Flammen seiner Hufe züngelten sich an den Beinen hoch, und Jachaels Augen blitzten rot auf. »Genug geredet!«, fauchte er. »Ich helfe dir bei der Entscheidung.«
    Bevor Rouven reagieren konnte   – bevor Rouven klar wurde, was Jachael vorhatte   –, hob dieser das Glas mit den Herzen noch einmal in die Höhe und ließ es schließlich fallen.
    »Nein!« Rouven schrie auf. Er stürzte nach vorn, versuchte das Glas aufzufangen, doch seine Hand glitt ab. Das Glas fiel neben Rouven auf die

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