Sicherheitsfaktor III
matt erleuchteter Stollen weiter in das Innere des Inselfelsens.
Am Ufer kauerte eine kleine Gestalt. Ich erkannte Hannibal. Er musterte mich mißtrauisch durch die Scheibe des Taucherhelms. Ich sah, wie er sich umwandte, und hörte ihn schreien:
»He, ist der Gefangene noch an Ort und Stelle?«
Aus dem Stollen kam Antwort.
»Er ist hier, Sir!«
Der Kleine streckte mir die Hand entgegen und half mir beim Anlandklettern.
»Man kann nie vorsichtig genug sein«, knurrte er. »Du siehst genauso aus wie der Kerl, den wir da hinten eingesperrt haben.«
Ich verstand seine Besorgnis und die stille Aufforderung.
»Okay, sieh mich an!« offerierte ich, und eine Sekunde später spürte ich, wie sich sein Bewußtsein in das meine bohrte.
Er grinste.
»Nichts für ungut, Großer! Wenn man so oft die Gesichter wechselt wie du, muß man einiges in Kauf nehmen, nicht wahr?«
Er half mir beim Abstreifen der Tauchermontur. Darunter kam das zerschlissene Gewand des großasiatischen Geheimdienstes zum Vorschein. Hannibal musterte mich von allen Seiten, dann stieß er einen anerkennenden, halblauten Pfiff aus.
»Sie haben dich tüchtig hergenommen, wie?«
»Ich denke lieber nicht mehr daran«, knurrte ich. »Wie war das mit Wang?«
»Ich kam zwei Stunden nach seinem Absturz hier an. Alles planmäßig. Der Pilot wurde vor knapp vier Stunden in der Nähe von Chengtzutuan an Land gespült. Man hat mindestens zwei Stunden gebraucht, um ihn zum Sprechen zu bringen. Mit dem Eintreffen der ersten Suchfahrzeuge muß jeden Augenblick gerechnet werden.«
Hoffentlich hat sich das U-Boot rechtzeitig abgesetzt, schoß es mir durch den Sinn.
»Und der Gefangene?« erkundigte ich mich.
»Ist bei Bewußtsein. Man hat ihm gesagt, was wir vorhaben. Aber er glaubt es noch nicht ganz.«
Ich nickte. Ewald Hrdlicka hatten wir hypnotisieren müssen, um ihn zu hindern, an für uns ungeeigneter Stelle von seinem Mißgeschick zu sprechen und dadurch die GWA, auf die der Verdacht über kurz oder lang fallen würde, in Mißkredit zu bringen. Hier jedoch, im Machtbereich des großasiatischen Geheimdienstes, war eine andere Handlungsweise geboten. Allein dadurch, daß Wang Tse Liao dem Feind in die Hand gefallen war, galt seine Ehre als schwer geschädigt. Selbst wenn er sich in diesem Augenblick hätte befreien und seinem Vorgesetzten von unserem Vorhaben hätte berichten können, wäre ihm ein erheblicher Gesichtsverlust nicht erspart geblieben. In diesem Fall konnten wir unsere Vorbereitungen unter den Augen des Gefangenen treffen. Denn nachdem wir ihn freigelassen hatten, würde er sich lieber die Zunge abbeißen, als über das Abenteuer zu berichten, das er soeben durchgestanden hatte. Seine einzige Hoffnung bestand darin, daß der kurzzeitige Austausch des Oberstleutnants Wang Tse Liao gegen einen Agenten eines feindlichen Geheimdienstes niemals ans Tageslicht kam. Das war chinesische Mentalität. Damit mußten wir rechnen.
Hannibal führte mich in den Stollen. Die kleine Felseninsel war ein oft genützter Stützpunkt der Geheimen-Wissenschaftlichen-Abwehr. Wir unterhielten hier keine ständige Besatzung, aber wenigstens dreimal im Jahr drangen unsere Leute bis hierher vor, um Beobachtungen auf dem nahegelegenen Festland anzustellen – besonders dann, wenn die Chinesen einen ihrer gewaltigen Rauchgeneratoren in Betrieb setzten, der verhindern sollte, daß unsere Satelliten erkannten, was da auf der strategisch wichtigen Halbinsel Liaotung vorging. Die nordchinesischen Grenzprovinzen hatten seit der Jahrtausendwende immer mehr an Bedeutung gewonnen. Zwischen dem Großasiatischen Staatenblock und der Sowjetunion bestanden
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