Sicherheitsfaktor III
in meiner Nähe. Ich hatte keine Mühe, Wang Tse Liaos Gedanken aus den anderen hervorzusortieren. Ein Blick genügte: Sein Denkprozeß konzentrierte sich auf den Komplex persönlicher Schande, die ihm widerfahren war, weil er sich hatte gefangennehmen lassen. Ich drang bis in die tiefsten Schichten seines Bewußtseins vor, ohne auch nur den geringsten Hinweis auf die Torpentouf-Affäre zu finden. Wang Tse Liao wußte von nichts. Obwohl er zu Fo-Tiengs engsten Mitarbeitern gehörte, bedeutete dies leider nichts. Eine Sache wie die Entführung der Drillinge würde der Verantwortliche nur den Leuten mitteilen, die unbedingt davon wissen mußten. Und zu diesen brauchte Wang Tse Liao nicht unbedingt zu gehören.
Ich kehrte in die Realwelt zurück. Der Kleine musterte mich aufmerksam. Er sah meinen Blick und schüttelte den Kopf.
»Nichts?«
»Nichts«, antwortete ich.
Er zuckte die Achseln.
»Bestätigt meine Beobachtung«, meinte er. »Mich beunruhigt allerdings noch etwas anderes.«
»Was ist das?«
»Er weiß nicht, wo sich Fo-Tieng im Augenblick aufhält.«
Das kam mir bedenklich vor, aber man ließ mir keine Zeit, darüber nachzudenken. Die Warnanlage summte zum zweiten Mal. Ungeduldiger als zuvor drängte die Stimme aus dem Lautsprecher:
»Die Hubschrauber sind in der Nähe, das Schwebeboot steht unmittelbar über der Insel. Es wird Zeit, daß sich oben jemand sehen läßt!«
Dieser Jemand war ich. Hannibal wies mich in den Hintergrund des Stollens. Dort gab es eine schmale, niedrige Öffnung, die ins Freie führte. Ich zwängte mich hindurch. Hinter mir verschloß der Kleine den Eingang. Er tat es mit einem genau passenden Felsstück, das zudem noch von innen verriegelt wurde, so daß niemand es durch Zufall aus seiner Lage stoßen konnte. Ich war auf mich allein gestellt.
Ich befand mich in einer schmalen, nicht sonderlich tiefen Felsspalte. Das war genau der Ort, den ein Mensch aufsuchen würde, der länger, als es ihm behagte, den Unbilden der Witterung und der See ausgesetzt war und sich ein wenig nach Schutz und Geborgenheit sehnte. Es war kurz nach Mittag. Ich schob mich an der Felswand entlang und trat ins Freie. Ich brauchte nicht vorzutäuschen, daß das Sonnenlicht mich blendete – es tat es wirklich. Ein wenig unsicher trat ich auf das kleine Plateau vor der Felsspalte hinaus und sah nach oben, als hätte mich das brummende, dröhnende Geräusch der Helikoptermotoren eben erst aus dem Schlaf geschreckt.
Oberstleutnant Wang Tse Liao mußte wirklich ein wichtiger Mann sein. Die Maschinen hingen da in dichten Trauben, zu mehreren Dutzend, und hoch über allem schwebte majestätisch, mit ungeheuer breiten Tragflächen, das Schwebeboot. Ich begann zu winken. Ich fing an zu schreien. Meine Schreie wurden zwar nicht gehört, aber die in helles Grau gekleidete Gestalt vor dem dunkleren Hintergrund des Felsens fiel sofort auf. Die Hubschrauberformation geriet in Bewegung. Das Schwebeboot nahm landeinwärts Fahrt auf: Für seine Besatzung war die Suchaktion bereits beendet.
Wasserstaub aufwirbelnd, kam einer der Helikopter niedrig über die glatte See herangestrichen. Elegant hob er sich über das steil aufstrebende Ufer der Insel und landete keine zehn Schritte vor mir. Ich wartete, bis die Rotoren im Leerlauf arbeiten, dann näherte ich mich dem Fahrzeug zögernd und vorsichtig. Ein junger Mann sprang aus dem Hubschrauber. Er schrie mir etwas zu, das ich im Lärm des Motors nicht verstand. Ich blieb stehen. Da schien er zu begreifen. Er lachte über das ganze Gesicht und brachte aus der grauen Jacke seiner Montur eine kleine, rosafarbene Plakette zum Vorschein: Das Abzeichen der interstaatlichen Polizei des großasiatischen
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