Sicherheitsfaktor III
Meeresschildkröte erspäht, ein riesiges Tier, wie sie an den Küsten von Taiwan zu Hunderttausenden anzutreffen sind, seitdem man die Schildkrötenjagd unter Strafe gestellt hat. Die plumpe Kreatur war über den Angriff eines unsichtbaren Gegners derart entsetzt, daß sie willenlos die Richtung einschlug, die Hannibal ihr vorgab, indem er den langen, flexiblen Hals packte und den kleinen Schädel nach unten auf Tauchkurs richtete. Die Schildkröte paddelte um ihr Leben, stets in der Hoffnung, sie könne dem unheimlichen Angreifer entkommen. Gerade das hatte Hannibal beabsichtigt. Unsichtbar klammerte er sich an den gewaltigen Rückenpanzer und glitt mit dem Amphibium in die Tiefe.
»Schließ dich an!« rief er mir auf mentalem Wege zu. »Den letzten beißen die Hunde!«
Ich schaltete den Antrieb ein. Auf der Höhe des Stolleneingangs verdrehte der Kleine den Hals der Schildkröte ein letztes Mal. In panischer Hast schoß sie in die Finsternis des Stollens hinein, Hannibal noch immer an ihren Rückenschild geklammert, ich dicht hinterher. Das geängstigte Tier entwickelte eine solche Geschwindigkeit, daß wir in wenigen Sekunden die gefährliche Gegend der Sonarstrahler passiert hatten. Sie waren im Innern unserer Helme deutlich zu hören. Jedesmal, wenn wir einen Strahl passierten, gab es ein helles »Ping«, in verschiedenen Tonlagen, als versuche sich ein des Klavierspielens Ungeübter mit einem Finger auf der Tastatur.
Schließlich ließ Hannibal die Schildkröte los. Das Tier floh weiter in den Stollen hinein. Ich weiß bis auf den heutigen Tag nicht, ob Wasserschildkröten normalerweise Wassertiefen von mehr als einhundert Metern ertragen können. Dieses Exemplar konnte es jedenfalls. Und wenn es die Todesangst war, die ihr die Kraft gab, den mörderischen Druck auszuhalten!
Ich hatte meinen Antrieb wieder abgeschaltet. Das Risiko war zu groß, daß sein leises Summen von irgendeinem Sensor empfangen wurde. Schwimmend bewegten wir uns so rasch wie möglich vorwärts. Ich horchte nach oben. Der Alarm war prompt ausgelöst worden. Alles befand sich in Aufruhr. Geschütze, unter Wasser eingebaut, waren auf den Stollenausgang gerichtet, um den unbekannten Eindringling sofort zu erfassen, wenn er aus der Mündung kam. Bei alledem vermißte ich jedoch das Bewußtsein echter, drohender Gefahr. Es war den Asiaten wahrscheinlich schon öfter passiert, daß sich ein Meerestier in ihrer Sonarfalle fing. Wie einen körperlichen Ruck empfand ich die Erleichterung, die die Besatzung des Felsverstecks überkam, als die Beobachtung – in der Felskuppel, die sich über dem Bassin wölbte! Das war eine neue Information! – meldete, daß es sich bei dem Eindringling lediglich um eine Schildkröte handele. Der Alarm wurde abgeblasen. Für uns war der Weg wieder frei.
Unserem Helfer allerdings widerfuhr ein trauriges Schicksal. Die Schildkröte wurde von den Asiaten gefangen, und, allen geltenden Naturschutzbestimmungen zum Trotz, kurzerhand geschlachtet.
Langsam tauchten wir aus dem riesigen Bassin auf. Von unten sahen wir die Hülle des Bootes, das Torpentouf gebracht hatte. Es lag am Rande des Beckens vertäut. Das Bassin war kreisrund und hatte einen Durchmesser von etwa vierhundert Metern. Über ihm wölbte sich die riesige Kuppeldecke des Felsendoms, mit einer gläsernen Beobachtungskapsel im Zenit. Undeutlich konnte ich darin Gestalten ausmachen. Die weite Höhlung wurde erhellt durch blauweiß strahlende Fluoreszenzlampen, die an verschiedenen Stellen der Kuppelwölbung angebracht waren.
Rings um das Bassin verlief am unteren Rand der Kuppel ein breites Felsband.
Weitere Kostenlose Bücher