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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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der
    Vater,
    und die Sterne zogen am Himmel. Da sprach der Vater:
    »Nicht ziemt es dem Brahmanen, heftige und zornige Worte
    zu reden. Aber Unwille bewegt sein Herz. Nicht möchte
    ich diese Bitte zum zweiten Male aus deinem Munde
    hören.«
    Langsam erhob sich der Brahmane, Siddhartha stand
    stumm mit gekreuzten Armen.
    »Worauf wartest du?« fragte der Vater.
    Sprach Siddhartha: »Du weißt es.«
    Unwillig ging der Vater aus der Kammer, unwillig suchte
    er sein Lager auf und legte sich nieder.
    Nach einer Stunde, da kein Schlaf in seine Augen kam,
    stand der Brahmane auf, tat Schritte hin und her, trat aus
    dem Hause. Durch das kleine Fenster der Kammer blickte er
    hinein, da sah er Siddhartha stehen, mit gekreuzten Armen,
    unverrückt. Bleich schimmerte sein helles Obergewand.
    Unruhe im Herzen, kehrte der Vater zu seinem Lager
    zurück.
    Nach einer Stunde, da kein Schlaf in seine Augen kam,
    stand der Brahmane von neuem auf, tat Schritte hin und
    her, trat vor das Haus, sah den Mond aufgegangen. Durch
    das Fenster der Kammer blickte er hinein, da stand
    Siddhartha, unverrückt, mit gekreuzten Armen, an seinen
    bloßen Schienbeinen spiegelte das Mondlicht. Besorgnis im
    Herzen, suchte der Vater sein Lager auf.
    Und er kam wieder nach einer Stunde, und kam wieder
    nach zweien Stunden, blickte durchs kleine Fenster, sah
    Siddhartha stehen, im Mond, im Sternenschein, in der
    Finsternis. Und kam wieder von Stunde zu Stunde,
    schweigend, blickte in die Kammer, sah den unverrückt
    Stehenden, füllte sein Herz mit Zorn, füllte sein Herz mit
    Unruhe, füllte sein Herz mit Zagen, füllte es mit Leid.
    Und in der letzten Nachtstunde, ehe der Tag begann,
    kehrte er wieder, trat in die Kammer, sah den Jüngling
    stehen, der ihm groß und wie fremd erschien.
    »Siddhartha«, sprach er, »worauf wartest du?«
    »Du weißt es.«
    »Wirst du immer so stehen und warten, bis es Tag wird,
    Mittag wird, Abend wird?«
    »Ich werde stehen und warten.«
    »Du wirst müde werden, Siddhartha.«
    »Ich werde müde werden.«
    »Du wirst einschlafen, Siddhartha.«
    »Ich werde nicht einschlafen.«
    »Du wirst sterben, Siddhartha.«
    »Ich werde sterben.«
    »Und willst lieber sterben, als deinem Vater gehorchen?«
    »Siddhartha hat immer seinem Vater gehorcht.«
    »So willst du dein Vorhaben aufgeben?«
    »Siddhartha wird tun, was sein Vater ihm sagen wird.«
    Der erste Schein des Tages fiel in die Kammer. Der
    Brahmane sah, daß Siddhartha in den Knien leise zitterte. In
    Siddharthas Gesicht sah er kein Zittern, fernhin blickten die
    Augen. Da erkannte der Vater, daß Siddhartha schon jetzt
    nicht mehr bei ihm und in der Heimat weile, daß er ihn schon
    jetzt verlassen habe.
    Der Vater berührte Siddharthas Schulter.
    »Du wirst«, sprach er, »in den Wald gehen und ein Sa-
    mana sein. Hast du Seligkeit gefunden im Walde, so komm und
    lehre mich Seligkeit. Findest du Enttäuschung, dann kehre
    wieder und laß uns wieder gemeinsam den Göttern opfern.
    Nun gehe und küsse deine Mutter, sage ihr, wohin du gehst.
    Für mich aber ist es Zeit, an den Fluß zu gehen und die erste
    Waschung vorzunehmen.«
    Er nahm die Hand von der Schulter seines Sohnes und ging
    hinaus. Siddhartha schwankte zur Seite, als er zu gehen
    versuchte. Er bezwang seine Glieder, verneigte sich vor
    seinem Vater und ging zur Mutter, um zu tun, wie der Vater
    gesagt hatte.
    Als er im ersten Tageslicht langsam auf erstarrten Beinen
    die noch stille Stadt verließ, erhob sich bei der letzten
    Hütte ein Schatten, der dort gekauert war, und schloß sich an
    den Pilgernden an - Govinda.
    »Du bist gekommen«, sagte Siddhartha und lächelte.
    »Ich bin gekommen«, sagte Govinda.
    Bei den Samanas
    Am Abend dieses Tages holten sie die Asketen ein, die dürren
    Samanas, und boten ihnen Begleitschaft und Gehorsam an.
    Sie wurden angenommen.
    Siddhartha schenkte sein Gewand einem armen Brahma-
    nen auf der Straße. Er trug nur noch die Schambinde und den
    erdfarbenen ungenähten Überwurf. Er aß nur einmal am Tage,
    und niemals Gekochtes. Er fastete fünfzehn Tage. Er fastete
    achtundzwanzig Tage. Das Fleisch schwand ihm von
    Schenkeln und Wangen. Heiße Träume flackerten aus seinen
    vergrößerten Augen, an seinen dorrenden Fingern wuchsen
    lang die Nägel und am Kinn der trockne, struppige Bart. Eisig
    wurde sein Blick, wenn er Weibern begegnete; sein Mund
    zuckte Verachtung, wenn er durch eine Stadt mit schön
    gekleideten Menschen ging. Er sah Händler handeln,

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