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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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sein, Siddhartha. Schnell
    hast du jede Übung gelernt, oft haben die alten Samanas dich
    bewundert. Du wirst einst ein Heiliger sein, o Siddhartha.«
    Sprach Siddhartha: »Mir will es nicht so erscheinen, mein
    Freund. Was ich bis zu diesem Tage bei den Samanas gelernt
    habe, das, o Govinda, hätte ich schneller und einfacher lernen
    können. In jeder Kneipe eines Hurenviertels, mein Freund,
    unter den Fuhrleuten und Würfelspielern hätte ich es lernen
    können.«
    Sprach Govinda: »Siddhartha macht sich einen Scherz mit
    mir. Wie hättest du Versenkung, wie hättest du Anhalten des
    Atems, wie hättest du Unempfindsamkeit gegen Hunger und
    Schmerz dort bei jenen Elenden lernen sollen?«
    Und Siddhartha sagte leise, als spräche er zu sich selber:
    »Was ist Versenkung? Was ist Verlassen des Körpers? Was ist
    Fasten? Was ist Anhalten des Atems? Es ist Flucht vor dem
    Ich, es ist ein kurzes Entrinnen aus der Qual des Ichseins, es
    ist eine kurze Betäubung gegen den Schmerz und die Unsin-
    nigkeit des Lebens. Dieselbe Flucht, dieselbe kurze Betäu-
    bung findet der Ochsentreiber in der Herberge, wenn er
    einige Schalen Reiswein trinkt oder gegorene Kokosmilch.
    Dann fühlt er sein Selbst nicht mehr, dann fühlt er die
    Schmerzen des Lebens nicht mehr, dann findet er kurze Be-
    täubung. Er findet, über seiner Schale mit Reiswein einge-
    schlummert, dasselbe, was Siddhartha und Govinda finden,
    wenn sie in langen Übungen aus ihrem Körper entweichen,
    im Nicht-Ich verweilen. So ist es, o Govinda.«
    Sprach Govinda: »So sagst du, o Freund, und weißt doch,
    daß Siddhartha kein Ochsentreiber ist und ein Samana kein
    Trunkenbold. Wohl findet der Trinker Betäubung, wohl findet
    er kurze Flucht und Rast, aber er kehrt zurück aus dem Wahn
    und findet alles beim alten, ist nicht weiser geworden, hat nicht Erkenntnis gesammelt, ist nicht um Stufen höher gestiegen.«
    Und Siddhartha sprach mit Lächeln: »Ich weiß es nicht, ich
    bin nie ein Trinker gewesen. Aber daß ich, Siddhartha, in
    meinen Übungen und Versenkungen nur kurze Betäubung
    finde und ebenso weit von der Weisheit, von der Erlösung
    entfernt bin wie als Kind im Mutterleibe, das weiß ich, o
    Govinda, das weiß ich.«
    Und wieder ein anderes Mal, da Siddhartha mit Govinda
    den Wald verließ, um im Dorfe etwas Nahrung für ihre Brüder
    und Lehrer zu betteln, begann Siddhartha zu sprechen
    und sagte: »Wie nun, o Govinda, sind wir wohl auf dem
    rechten Wege? Nähern wir uns wohl der Erkenntnis? Nähern
    wir uns wohl der Erlösung? Oder gehen wir nicht vielleicht
    im Kreise - wir, die wir doch dem Kreislauf zu entrinnen
    dachten?«
    Sprach Govinda: »Viel haben wir gelernt, Siddhartha, viel
    bleibt noch zu lernen. Wir gehen nicht im Kreise, wir gehen
    nach oben, der Kreis ist eine Spirale, manche Stufe sind wir
    schon gestiegen.«
    Antwortete Siddhartha: »Wie alt wohl, meinst du, ist unser
    ältester Samana, unserer ehrwürdiger Lehrer?«
    Sprach Govinda: »Vielleicht sechzig Jahre mag unser Ältester
    zählen.«
    Und Siddhartha: »Sechzig Jahre ist er alt geworden und hat
    Nirwana nicht erreicht. Er wird siebzig werden und achtzig,
    und du und ich, wir werden ebenso alt werden und werden
    uns üben, und werden fasten und werden meditieren. Aber
    Nirwana werden wir nicht erreichen, er nicht, wir nicht. O
    Govinda, ich glaube, von allen Samanas, die es gibt, wird
    vielleicht nicht einer, nicht einer Nirwana erreichen. Wir finden Tröstungen, wir finden Betäubungen, wir lernen
    Kunstfertigkeiten, mit denen wir uns täuschen. Das
    Wesentliche aber, den Weg der Wege, finden wir nicht.«
    »Mögest du doch«, sprach Govinda, »nicht so erschrek-
    kende Worte aussprechen, Siddhartha! Wie sollte denn unter
    so vielen gelehrten Männern, unter so viel Brahmanen, unter
    so vielen strengen und ehrwürdigen Samanas, unter so viel
    suchenden, so viel innig beflissenen, so viel heiligen
    Männern keiner den Weg der Wege finden?«
    Siddhartha aber sagte mit einer Stimme, welche soviel
    Trauer wie Spott enthielt, mit einer leisen, einer etwas
    traurigen, einer etwas spöttischen Stimme: »Bald, Govinda,
    wird dein Freund diesen Pfad der Samanas verlassen, den er so
    lang mit dir gegangen ist. Ich leide Durst, o Govinda, und auf
    diesem langen Samanawege ist mein Durst um nichts kleiner
    geworden. Immer habe ich nach Erkenntnis gedürstet, immer
    bin ich voll von Fragen gewesen. Ich habe die Brahmanen
    befragt, Jahr um Jahr, und habe die heiligen Vedas befragt, Jahr

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