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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Ehrwürdigen. Zu
    bewundern war sein Vater, still und edel war sein Gehaben,
    rein sein Leben, weise sein Wort, feine und adlige Gedanken
    wohnten in seiner Stirn - aber auch er, der so viel Wissende,
    lebte er denn in Seligkeit, hatte er Frieden, war er nicht auch nur ein Suchender, ein Dürstender? Mußte er nicht immer und
    immer wieder an heiligen Quellen, ein Durstender, trinken, am
    Opfer, an den Büchern, an der Wechselrede der Brahmanen?
    Warum mußte er, der Untadelige, jeden Tag Sünde
    abwaschen, jeden Tag sich um Reinigun bemühen, jeden
    Tag von neuem? War denn nicht Atman in ihm, floß denn
    nicht in seinem eigenen Herzen der Urquell? Ihn mußte man
    finden, den Urquell im eigenen Ich, ihn mußte man zu eigen
    haben! Alles andre war Suchen, war Umweg, war Verirrung.
    So waren Siddharthas Gedanken, dies war sein Durst, dies
    sein Leiden.
    Oft sprach er aus einem Chandogya-Upanishad sich die
    Worte vor: »Fürwahr, der Name des Brahman ist Satyam -
    wahrlich, wer solches weiß, der geht täglich ein in die himm-
    lischen Welt. Oft schien sie nahe, die himmlische Welt, aber
    niemals hatte er sie ganz erreicht, nie den letzten Durst gestillt.
    Und von allen Weisen und Weisesten, die er kannte und
    deren Belehrung er genoß, von ihnen allen war keiner,
    der sie ganz erreicht hatte, die himmlische Welt, der ihn ganz
    gelöscht hatte, den ewigen Durst.
    „Go vi n d a“, sprach Siddhartha zu seinem Freunde,
    »Govinda, Lieber, komm mit mir unter den Banyanenbaum,
    wir wollen der Versenkung pflegen.«
    Sie gingen zum Banyanenbaum, sie setzten sich nieder,
    hierSiddhartha, zwanzig Schritte weiter Govinda. Indem er sich niedersetzte, bereit, das Om zu sprechen, wiederholte
    Siddhartha murmelnd den Vers:
    »Om ist Bogen, der Pfeil ist Seele,
    Das Brahman ist des Pfeiles Ziel,
    Das soll man unentwegt treffen.«
    Als die gewohnte Zeit der Versenkungsübung hingegangen
    war erhob sich Govinda. Der Abend war gekommen, Zeit
    war es, die Waschung der Abendstunde vorzunehmen .Er rief
    Siddharthas Namen. Siddhartha gab nicht Antwort.
    Siddhartha saß versunken, seine Augen standen starr auf ein sehr fernes
    Ziel gerichtet, seine Zungenspitze stand ein wenig
    z w i s c h e n den Zähnen hervor, er schien nicht zu atmen. So in Versenkung gehüllt, Om denkend, seine Seele als
    Pfeil nach dem Brahman ausgesandt.
    Einst waren Samanas durch
    Siddharthas Stadt gezogen, pilgernde
    Asketen, drei dürre, erloschene
    Männer, nicht alt, noch jung, mit
    staubigen und blutigen Schultern,
    nahezu nackt von der Sonne versengt,
    von Einsamkeit umgeben,
    fremd und feind der Welt, Fremdlinge und hagere Schakale
    im Reich der Menschen. Hinter ihnen her wehte heiß ein
    Duft von stiller Leidenschaft, von zerstörendem Dienst, von
    mitleidloser Entselbstung.
    Am Abend, nach der Stunde der Betrachtung, sprach Sid-
    dhartha zu Govinda: »Morgen in der Frühe, mein Freund,
    wird Siddhartha zu den Samanas gehen. Er wird ein Samana
    werden.«
    Govinda erbleichte, da er die Worte hörte und im
    unbewegten Gesicht seines Freundes den Entschluß las,
    unablenkbar wie der vom Bogen losgeschnellte Pfeil.
    Alsbald und beim ersten Blick erkannte Govinda: nun
    beginnt es, nun geht Siddhartha seinen Weg, nun beginnt
    sein Schicksal zu sprossen, und mit seinem das meine. Und
    er wurde bleich wie eine trockene Bananenschale.
    »O Siddhartha«, rief er, »wird das dein Vater dir
    erlauben?«
    Siddhartha blickte herüber wie ein Erwachender. Pfeil
    schnell las er in Govindas Seele, las die Angst, las die
    Ergebung.
    »O Govinda«, sprach er leise, »wir wollen nicht Worte
    verschwenden. Morgen mit Tagesanbruch werde ich das Leben
    der Samanas beginnen. Rede nicht mehr davon.«
    Siddhartha trat in die Kammer, wo sein Vater auf einer
    Matte aus Bast saß, und trat hinter seinen Vater und blieb da
    stehen, bis sein Vater fühlte, daß einer hinter ihm stehe.
    Sprach der Brahmane: »Bist du es, Siddhartha? So sage, was zu
    sagen du gekommen bist.«
    Sprach Siddhartha: »Mit deiner Erlaubnis, mein Vater. Ich
    bin gekommen, dir zu sagen, daß mich verlangt, morgen
    dein Haus zu verlassen und zu den Asketen zu gehen. Ein
    Samana zu werden, ist mein Verlangen. Möge mein Vater dem
    nicht entgegen sein.«
    Der Brahmane schwieg, und schwieg so lange, daß im
    kleinen Fenster die Sterne wanderten und ihre Figur
    veränderten, ehe das Schweigen in der Kammer ein Ende
    fand. Stumm und regungslos stand mit gekreuzten Armen
    der Sohn, stumm und regungslos saß auf der Matte

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