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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Fürsten
    zur Jagd gehen, Leidtragende ihre Toten beweinen, Huren
    sich anbieten, Ärzte sich um Kranke bemühen, Priester den
    Tag für die Aussaat bestimmen, Liebende lieben, Mütter ihre
    Kinder stillen- und alles war nicht den Blick seines Auges wert, alles log, alles stank, alles stank nach Lüge, alles täuschte Sinn und Glück und Schönheit vor, und alles war uneingestandene
    Verwesung. Bitter schmeckte die Welt. Qual war das Leben.
    Ein Ziel stand vor Siddhartha, ein einziges: leer werden,
    leer von Durst, leer von Wunsch, leer von Traum, leer von
    Freude und Leid. Von sich selbst wegsterben, nicht mehr Ich
    sein, entleerten Herzens Ruhe zu finden, im entselbsteten
    Denken dem Wunder offen zu stehen, das war sein Ziel.
    Wenn alles Ich überwunden und gestorben war, wenn jede
    Sucht und jeder Trieb im Herzen schwieg, dann mußte das
    Letzte erwachen, das Innerste im Wesen, das nicht mehr Ich
    ist, das große Geheimnis.
    Schweigend stand Siddhartha im senkrechten
    Sonnenbrand, glühend vor Schmerz, glühend vor Durst, und
    stand, bis er nicht Schmerz noch Durst mehr fühlte.
    Schweigend stand er in der Regenzeit, aus seinem Haare troff
    das Wasser über frierende Schultern, über frierende Hüften
    und Beine, und der Büßer stand, bis Schultern und Beine nicht
    mehr froren, bis sie schwiegen, bis sie still waren. Schweigend kauerte er im Dorngerank, aus der brennenden Haut tropfte das
    Blut, aus Schwären der Eiter, und Siddhartha verweilte starr,
    verweilte regungslos, bis kein Blut mehr floß, bis nichts mehr
    stach, bis nichts mehr brannte.
    Siddhartha saß aufrecht und lernte den Atem sparen, lernte
    mit wenig Atem auskommen, lernte den Atem abzustellen.
    Er lernte, mit dem Atem beginnend, seinen Herzschlag beru-
    higen, lernte die Schläge seines Herzens vermindern, bis es
    wenige und fast keine mehr waren.
    Vom Ältesten der Samanas belehrt, übte Siddhartha Ent-
    selbstung, übte Versenkung, nach neuen Samanaregeln. Ein
    Reiher flog überm Bambuswald - und Siddhartha nahm den
    Reiher in seine Seele auf, flog über Wald und Gebirg, war
    Reiher, fraß Fische, hungerte Reiherhunger, sprach Reiher-
    gekrächz, starb Reihertod. Ein toter Schakal lag am Sandufer,
    und Siddharthas Seele schlüpfte in den Leichnam hinein, war
    toter Schakal, lag am Strande, blähte sich, stank, verweste,
    ward von Hyänen zerstückt, ward von Geiern enthäutet, ward
    Gerippe, ward Staub, wehte ins Gefild. Und Siddharthas
    Seele kehrte zurück, war gestorben, war verwest, war
    zerstäubt, hatte den trüben Rausch des Kreislaufs geschmeckt,
    harrte in neuem Durst wie ein Jäger auf die Lücke, wo dem
    Kreislauf zu entrinnen wäre, wo das Ende der Ursachen, wo
    leidlose Ewigkeit begänne. Er tötete seine Sinne, er tötete seine Erinnerung, er schlüpfte aus seinem Ich in tausend fremde
    Gestaltungen, war Tier, war Aas, war
    Stein, war Holz, war Wasser, und fand sich jedesmal
    erwachend wieder, Sonne schien oder Mond, war wieder
    Ich, schwang im Kreislauf, fühlte Durst, überwand den
    Durst, fühlte neuen Durst.
    Vieles lernte Siddhartha bei den Samanas, viele Wege vorn
    Ich hinweg lernte er gehen. Er ging den Weg der Entselb-
    stung durch den Schmerz, durch das freiwillige Erleiden und
    Überwinden des Schmerzes, des Hungers, des Durstes, der
    Müdigkeit. Er ging den Weg der Entselbstung durch
    Meditation, durch das Leerdenkcn des Sinnes von allen
    Vorstellungen. Diese und andere Wege lernte er gehen,
    tausendmal verließ er sein Ich, stundenlang und tagelang
    verharrte er im Nicht-Ich. Aber ob auch die Wege vom Ich
    hinwegführten, ihr Ende führte doch immer zum Ich zurück.
    Ob Siddhartha tausendmal dem Ich entfloh, im Nichts
    verweilte, im Tier, im Stein verweilte, unvermeidlich war die
    Rückkehr, unentrinnbar die Stunde, da er sich wiederfand, im
    Sonnenschein oder im Mondschein, im Schatten oder im
    Regen, und wieder Ich und Siddhartha war, und wieder die
    Qual des auferlegten Kreislaufes empfand.
    Neben ihm lebte Govinda, sein Schatten, ging dieselben
    Wege, unterzog sich denselben Bemühungen. Selten
    sprachen sie anderes miteinander, als der Dienst und die
    Übungen erforderten. Zuweilen gingen sie zu zweien durch
    die Dörfer, um Nahrung für sich und ihre Lehrer zu betteln.
    »Wie denkst du, Govinda«, sprach einst auf diesem
    Bettelgang Siddhartha, »wie denkst du, sind wir weiter
    gekommen? Haben wir Ziele erreicht?«
    Antwortete Govinda: »Wir haben gelernt, und wir lernen
    weiter. Du wirst ein großer Samana

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