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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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den schweigend Bittenden, die Almosenschale zu
    füllen. Nahe bei der Stadt lag Gotamas liebster Aufenthalt, der Hain Jetavana, welchen der reiche Kaufherr Anathapindika,
    ein ergebener Verehrer des Erhabenen, ihm und den Seinen
    zum Geschenk gemacht hatte.
    Nach dieser Gegend hatten die Erzählungen und Antworten
    hingewiesen, welche den beiden jungen Asketen auf der Suche
    nach Gotamas Aufenthalt zuteil wurden. Und da sie in Savathi
    ankamen, ward ihnen gleich im ersten Hause, vor
    dessen Tür sie bittend stehenblieben, Speise angeboten, und
    sie nahmen Speise an, und Siddhartha fragte die Frau, welche
    ihnen die Speise reichte:
    »Gerne, du Mildtätige, gerne möchten wir erfahren, wo der
    Buddha weilt, der Ehrwürdigste, denn wir sind zwei Samanas
    aus dem Walde und sind gekommen, um ihn, den
    Vollendeten, zu sehen und die Lehre aus seinem Munde zu
    vernehmen.«
    Sprach die Frau: »Am richtigen Orte wahrlich seid ihr hier
    abgestiegen, ihr Samanas aus dem Walde. Wisset, in
    Jetavana, im Garten Anathapindikas, weilt der Erhabene.
    Dort möget ihr, Pilger, die Nacht verbringen, denn genug
    Raum ist daselbst für die Unzähligen, die herbeiströmen, um
    aus seinem Munde die Lehre zu hören.«
    Da freute sich Govinda, und voll Freude rief er: »Wohl
    denn, so ist unser Ziel erreicht und unser Weg zu Ende! Aber
    sage uns, du Mutter der Pilgernden, kennst du ihn, den
    Buddha, hast du ihn mit deinen Augen gesehen?«
    Sprach die Frau: »Viele Male habe ich ihn gesehen, den
    Erhabenen. An vielen Tagen habe ich ihn gesehen, wie er durch
    die Gassen geht, schweigend, im gelben Mantel, wie er
    schweigend an den Haustüren seine Almosenschale
    darreicht, wie er die gefüllte Schale von dannen trägt.«
    Entzückt lauschte Govinda und wollte noch vieles fragen
    und hören. Aber Siddhartha mahnte zum Weitergehen. Sie
    sagten Dank und gingen und brauchten kaum nach dem
    Wege zu fragen, denn nicht wenige Pilger und Mönche aus
    Gotamas Gemeinschaft waren nach dem Jetavana unterwegs.
    Und da sie in der Nacht dort anlangten, war daselbst ein
    beständiges Ankommen, Rufen und Reden von solchen,
    welche Herberge heischten und bekamen. Die beiden
    Samanas, des Lebens im Walde gewohnt, fanden schnell und
    geräuschlos einen Unterschlupf und ruhten da bis zum
    Morgen.
    Beim Aufgang der Sonne sahen sie mit Erstaunen, welch
    Kroße Schar, Gläubige und Neugierige, hier genächtigt hatte.
    In allen Wegen des herrlichen Haines wandelten Mön-
    che im gelben Gewand, unter den Bäumen saßen sie hier
    und dort, in Betrachtung versenkt oder im geistlichen
    Gespräch, wie eine Stadt waren die schattigen Gärten zu sehen,
    voll von Menschen wimmelnd wie Bienen. Die Mehrzahl
    der Mönche zog mit der Almosenschale aus, um in der Stadt
    Nahrung für diese Mittagsmahlzeit, die einzige des Tages,
    zu sammeln. Auch der Buddha selbst, der Erleuchtete,
    pflegte am Morgen den Bettelgang zu tun.
    Siddhartha sah ihn, und er erkannte ihn alsbald, als hätte
    ihm ein Gott ihn gezeigt. Er sah ihn, einen schlichten Mann in
    gelber Kutte, die Almosenschale in der Hand tragend, still
    dahin gehen.
    »Sieh hier!« sagte Siddhartha leise zu Govinda. »Dieser
    hier ist der Buddha.«
    Aufmerksam blickte Govinda den Mönch in der gelben
    Kutte an, der sich in nichts von den Hunderten der Mönche zu
    unterscheiden schien. Und bald erkannte auch Govinda:
    dieser ist es. Und sie folgten ihm nach und betrachteten ihn.
    Der Buddha ging seines Weges bescheiden und in Gedanken
    versunken, sein stilles Gesicht war weder fröhlich noch
    traurig, es schien leise nach innen zu lächeln. Mit einem
    verborgenen Lächeln, still, ruhig, einem gesunden Kinde nicht
    unähnlich, wandelte der Buddha, trug das Gewand und
    setzte den Fuß gleich wie alle seine Mönche, nach genauer
    Vorschrift. Aber sein Gesicht und sein Schritt, sein still ge-
    senkter Blick, seine still herabhängende Hand, und noch jeder
    Finger an seiner still herabhängenden Hand sprach Friede,
    sprach Vollkommenheit, suchte nicht, ahmte nicht nach,
    atmete sanft in einer unverwelklichen Ruhe, in einem
    unverwelklichen Licht, einem unantastbaren Frieden.
    So wandelte Gotama der Stadt entgegen, um Almosen zu
    sammeln, und die beiden Samanas erkannten ihn einzig an
    der Vollkommenheit seiner Ruhe, an der Stille seiner
    Gestalt, in welcher kein Suchen, kein Wollen, kein
    Nachahmen, kein Bemühen zu erkennen war, nur Licht und
    Frieden.
    »Heute werden wir die Lehre aus seinem Munde
    vernehmen«, sagte

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