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Siddharta

Siddharta

Titel: Siddharta Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hermann Hesse
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Govinda.
    Siddhartha gab nicht Antwort. Er war wenig neugierig auf
    die Lehre, er glaubte nicht, daß sie ihn Neues lehren werde,
    hatte er doch, ebenso wie Govinda, wieder und wieder den
    Inhalt dieser Buddhalehre vernommen, wenn schon aus
    Berichten von zweiter und dritter Hand. Aber er blickte
    aufmerksam auf Gotamas Haupt, auf seine Schultern, auf seine
    Füße, auf seine still herabhängende Hand, und ihm schien, jedes Glied an jedem Finger dieser Hand war Lehre, sprach, atmete,
    duftete, glänzte Wahrheit. Dieser Mann, dieser Buddha, war
    wahrhaftig bis in die Gebärde seines letzten Fingers. Dieser
    Mann war heilig. Nie hatte Siddhartha einen Menschen so
    verehrt, nie hatte er einen Menschen so geliebt wie diesen.
    Die beiden folgten dem Buddha bis zur Stadt und kehrten
    schweigend zurück, denn sie selbst gedachten diesen Tag sich
    der Speise zu enthalten. Sie sahen Gotama wiederkehren, sahen
    ihn im Kreise seiner Jünger die Mahlzeit einnehmen was er
    aß, hätte keinen Vogel satt gemacht und sahen ihn sich
    zurückziehen in den Schatten der Mangobäume.
    Am Abend aber, als die Hitze sich legte und alles im Lager
    lebendig ward und sich versammelte, hörten sie den Buddha
    lehren. Sie hörten seine Stimme, und auch sie war
    vollkommen, war von vollkommener Ruhe, war voll von
    Frieden. Gotama lehrte die Lehre vom Leiden, von der
    Herkunft des Leidens, vom Weg zur Aufhebung des Leidens.
    Ruhig floß Und klar seine stille Rede. Leiden war das Leben,
    voll Leid War die Welt, aber Erlösung vom Leid war
    gefunden: Erlösung fand, wer den Weg des Buddha ging.
    Mit sanfter, doch fester Stimme sprach der Erhabene, lehrte
    die vier Hauptsätze, lehrte den achtfachen Pfad, geduldig ging
    er den gewohnten Weg der Lehre, der Beispiele, der
    Wiederholungen, hell und still schwebte seine Stimme über
    den Hörenden, wie ein Licht, wie ein Sternhimmel.
    Als der Buddha - es war schon Nacht geworden seine
    Rede schloß, traten manche Pilger hervor und baten um Auf-
    nahme in die Gemeinschaft, nahmen ihre Zuflucht zur Lehre.
    Und Gotama nahm sie auf, indem er sprach: »Wohl habt ihr
    die Lehre vernommen, wohl ist sie verkündigt. Tretet denn
    herzu und wandelt in Heiligkeit, allem Leid ein Ende zu be-
    reiten.«
    Siehe, da trat auch Govinda hervor, der Schüchterne, und
    sprach: »Auch ich nehme meine Zuflucht zum Erhabenen und
    zu seiner Lehre«, und bat um Aufnahme in die Jüngerschaft,
    und ward aufgenommen.
    Gleich darauf, da sich der Buddha zur Nachtruhe zurück-
    gezogen hatte, wendete sich Govinda zu Siddhartha und
    sprach eifrig: »Siddhartha, nicht steht es mir zu, dir einen
    Vorwurf zu machen. Beide haben wir den Erhabenen gehört,
    beide haben wir die Lehre vernommen. Govinda hat die Lehre
    gehört, er hat seine Zuflucht zu ihr genommen. Du aber,
    Verehrter, willst denn nicht auch du den Pfad der Erlösung
    gehen? Willst du zögern, willst du noch warten?«
    Siddhartha erwachte wie aus einem Schlafe, als er Govin-
    das Worte vernahm. Lange blickte er in Govindas Gesicht.
    Dann sprach er leise, mit einer Stimme ohne Spott: »Govinda,
    mein Freund, nun hast du den Schritt getan, nun hast du den
    Weg erwählt. Immer, o Govinda, bist du mein Freund
    gewesen, immer bist du einen Schritt hinter mir gegangen. Oft
    habe ich gedacht: Wird Govinda nicht auch einmal einen
    Schritt allein tun, ohne mich, aus der eigenen Seele? Siehe, nun bist du ein Mann geworden und wählst selber deinen Weg.
    Mögest du ihn zu Ende gehen, o mein Freund! Mögest du
    Erlösung finden!«
    Govinda, welcher noch nicht völlig verstand, wiederholte
    mit einem Ton von Ungeduld seine Frage: »Sprich doch, ich
    bitte dich, mein Lieber! Sage mir, wie es ja nicht anders sein
    kann, daß auch du, mein gelehrter Freund, deine Zuflucht zum
    erhabenen Buddha nehmen wirst!«
    Siddhartha legte seine Hand auf die Schulter Govindas:
    »Du hast meinen Segenswunsch überhört, o Govinda. Ich
    Wiederhole ihn: Mögest du diesen Weg zu Ende gehen! Mögest
    du Erlösung finden!«
    In diesem Augenblick erkannte Govinda, daß sein Freund
    ihn verlassen habe, und er begann zu weinen.
    »Siddhartha!«, rief er klagend.
    Siddhartha sprach freundlich zu ihm: »Vergiß nicht, Go-
    vinda, daß du nun zu den Samanas des Buddha gehörst! Ab-
    gesagt hast du Heimat und Eltern, abgesagt Herkunft und
    Eigentum, abgesagt deinem eigenen Willen, abgesagt der
    Freundschaft. So will es die Lehre, so will es der Erhabene.
    So hast du selbst es gewollt. Morgen, o Govinda, werde

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