Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman
in seinem eigenen Hause zu Gast, und das Hotelpersonal half einem, seine Gäste zu bewirten. Wenn man hier in Amerika in seinem Hotelzimmer Gäste hat, interessiert das keinen; man muß den Service anrufen und so weiter.
Im Hotel zu essen war auch anders. Das Mädchen, das das Essen bringt, bleibt im Zimmer, während man ißt, so daß man Gesellschaft hat. Ich konnte mich nicht allzu gut mit ihr unterhalten, aber es ging. Und das Essen ist phantastisch. Die Suppe beispielsweise kommt in einer zugedeckten Schüssel. Man hebt den Deckel auf und sieht ein schönes Bild: Zwiebelstückchen, die in der Suppe schwimmen, einfach so; es ist herrlich. Wie das Essen auf dem Teller aussieht, ist sehr wichtig.
Ich hatte beschlossen, so japanisch wie möglich zu leben. Das bedeutete, Fisch zu essen. Als Kind mochte ich keinen Fisch, aber in Japan fand ich heraus, daß das albern war: Ich aß viel Fisch und habe es genossen. (Als ich in die Vereinigten Staaten zurückkam, ging ich als erstes in ein Fischrestaurant. Es war scheußlich - genau wie früher. Ich konnte es nicht ausstehen. Später fand ich heraus, woran es lag: Der Fisch muß sehr, sehr frisch sein - denn wenn er das nicht ist, bekommt er einen bestimmten Geschmack, der mich stört.)
Einmal wurde mir, als ich in dem japanischen Hotel aß, in einer Tasse mit einer gelben Flüssigkeit etwas Rundes, Hartes serviert, das ungefähr die Größe eines Eidotters hatte. Bis dahin hatte ich in Japan alles gegessen, aber das erschreckte mich: es hatte überall Windungen, wie ein Gehirn. Als ich das Mädchen fragte, was das sei, antwortete sie: »Kuri«. Das nützte mir nicht viel. Ich meinte, es sei wohl ein Tintenfische! oder so etwas. Ich aß es mit einiger Beklommenheit, denn ich wollte mich den japanischen Gepflogenheiten so weit wie möglich anpassen. (Im übrigen prägte ich mir das Wort »kuri« ein, als hinge mein Leben davon ab - ich habe es in dreißig Jahren nicht vergessen.)
Am nächsten Tag fragte ich einen Japaner auf der Tagung, was dieses Ding mit den Windungen sei. Ich erzählte ihm, es sei mir sehr schwergefallen, es zu essen. Was zum Teufel war »kuri« ?
»Es bedeutet >Kastanie<«, antwortete er.
Einiges von dem Japanisch, das ich gelernt hatte, tat ungeahnte Wirkung. Als es einmal sehr lange dauerte, bis der Bus abfuhr, sagte jemand: »He, Feynman! Sie können doch Japanisch; sagen Sie denen doch mal, daß sie losfahren sollen!«
Ich sagte: »Hayaku! Hayaku! Ikimasho! Ikimasho!« - was bedeutet: »Los! Los! Beeilung! Beeilung!«
Ich merkte, daß mit meinem Japanisch etwas nicht stimmte. Ich hatte diese Ausdrücke aus einem Sprachführer für das Militär gelernt, und sie müssen ziemlich unhöflich gewesen sein, denn im Hotel huschten plötzlich alle wie Mäuse herum und sagten: »Jawohl, Sir! Jawohl, Sir!«, und der Bus fuhr gleich darauf ab.
Der Kongreß in Japan verlief in zwei Teilen: der eine fand in Tokio und der andere in Kyoto statt. Im Bus nach Kyoto erzählte ich meinem Freund Abraham Pais von dem Hotel im japanischen Stil, und er wollte es ausprobieren. Wir wohnten im Hotel Miyako, in dem es Zimmer sowohl im amerikanischen als auch im japanischen Stil gab, und Pais teilte sich mit mir ein Zimmer im japanischen Stil.
Am nächsten Morgen bereitet die junge Frau, die sich um unser Zimmer kümmert, das Bad, das von unserem Zimmer aus zugänglich war. Etwas später kommt sie mit einem Tablett zurück, um uns das Frühstück zu bringen. Ich bin noch nicht ganz angezogen. Sie wendet sich mir zu und sagt freundlich: »Ohayo, gozai masu« , was »Guten Morgen!« bedeutet.
Pais kommt gerade pitschnaß und völlig nackt aus dem Bad. Sie wendet sich ihm zu, sagt ebenso gelassen: »Ohayo, gozai masu« und stellt das Tablett für uns hin.
Pais schaut mich an und sagt: »Mein Gott, was sind wir doch unzivilisiert!«
Uns war eingefallen, daß es in Amerika Geschrei und großes Trara gegeben hätte, wenn das Mädchen das Frühstück gebracht hätte und einem splitternackten Mann begegnet wäre. In Japan hingegen fand man gar nichts dabei, und wir hatten das Gefühl, daß sie viel weiter und in solchen Dingen viel zivilisierter seien als wir.
Ich hatte zu der Zeit an der Theorie des flüssigen Heliums gearbeitet und herausgefunden, wie sich durch die Gesetze der Quantendynamik das merkwürdige Phänomen der Supraflüssigkeit erklären läßt. Ich war sehr stolz darauf und wollte auf dem Kongreß in Kyoto einen Vortrag über meine Arbeit halten.
Am
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