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Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman

Titel: Sie belieben wohl zu scherzen, Mr. Feynman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard P. Feynman
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Herrlichkeiten des Universums erinnern.
    Jerry erwies sich als sehr guter Lehrer. Als erstes sagte er mir, ich solle nach Hause gehen und irgend etwas Beliebiges zeichnen. Ich versuchte einen Schuh zu zeichnen, dann eine Blume im Topf. Es ging arg daneben!
    Als wir uns das nächste Mal trafen, zeigte ich ihm meine Versuche: »Oh, sieh mal einer an!« sagte er. »Guck, hier hinten herum berührt die Linie des Blumentopfes nicht das Blatt.« (Ich hatte eigentlich vorgehabt, die Linie bis an das Blatt heranzuführen.) »Das ist sehr gut. Auf diese Weise kann man Tiefe zeigen. Das hast du sehr geschickt gemacht. Und daß du nicht alle Linien gleich dick machst (was ich nicht absichtlich getan hatte), ist auch gut. Eine Zeichnung, bei der alle Linien gleich dick sind, ist langweilig.«
    Und so ging's weiter: Alles, was ich für einen Fehler hielt, lehrte er mich, positiv zu sehen. Er sagte nie, irgend etwas sei falsch; er machte mich nie herunter. Und so versuchte ich es weiter und wurde allmählich ein bißchen besser, war aber nie zufrieden.
    Um etwas mehr Übung zu bekommen, schrieb ich mich auch für einen Fernlehrgang bei den International Correspondence Schools ein, und ich muß sagen, die Schulung war gut. Zuerst mußte ich Pyramiden und Zylinder zeichnen, sie schraffieren und so weiter. Es wurden viele Gebiete behandelt: Zeichnen, Pastellmalerei, Wasserfarben und Ölfarben. Gegen Ende des Lehrgangs blieb ich nicht bei der Stange: Ich fertigte zwar ein Ölgemälde an, schickte es aber nicht ein. Sie schrieben mich immer wieder an und forderten mich auf, weiterzumachen. Sie gaben sich große Mühe.
    Ich übte mich fortwährend im Zeichnen und fand großes Interesse daran. Wenn ich bei einer Versammlung war, die zu nichts führte - zum Beispiel als Carl Rogers ans Caltech kam, um mit uns die Einrichtung eines Fachbereiches für Psychologie zu erörtern -, vertrieb ich mir die Zeit damit, die anderen zu zeichnen. Ich trug einen kleinen Block mit mir herum, und überall, wo ich hinkam, übte ich Zeichnen. Ich strengte mich also sehr an, wie Jerry es mich lehrte.
    Er dagegen lernte nicht viel Physik. Seine Gedanken schweiften zu leicht ab. Ich versuchte ihm etwas über Elektrizität und Magnetismus beizubringen, aber kaum hatte ich die »Elektrizität« erwähnt, da erzählte er mir, er habe einen Motor, der nicht funktionierte, und wollte wissen, wie er ihn reparieren könne. Als ich ihm zeigen wollte, wie ein Elektromagnet funktioniert, indem ich aus Draht eine kleine Spule machte und einen Nagel an einem Stück Schnur aufhängte, und als ich dann Spannung auf den Draht gab und der Nagel in die Spule hineinglitt, sagte Jerry: »Ooh! Das ist ja wie beim Ficken!« Und damit war das erledigt.
    Jetzt gab es also etwas Neues, worüber wir uns streiten konnten - ob er ein besserer Lehrer als ich oder ich ein besserer Schüler als er war.
    Ich gab den Gedanken auf, einem Künstler das Verständnis für mein Gefühl angesichts der Natur zu vermitteln, damit er es darstellen konnte. Nun würde ich mich doppelt anstrengen müssen, Zeichnen zu lernen, damit ich es selbst würde tun können. Es war ein sehr ehrgeiziges Unternehmen, und ich behielt die Idee für mich, denn es war mehr als wahrscheinlich, daß ich es nie schaffen würde.
    Ganz zu Anfang, als ich mich gerade daranmachte, Zeichnen zu lernen, bekam eine Dame, die ich kannte, meine Versuche zu Gesicht, und sie meinte: »Gehen Sie doch mal ins Pasadena Art Museum. Die haben dort Zeichenkurse, mit Modellen - nackten Modellen.«
    »Nein«, sagte ich; »ich kann nicht gut genug zeichnen: das wäre mir peinlich.«
    »Sie sind gut genug; Sie sollten erst mal die anderen sehen!«
    Ich brachte genug Mut auf, um hinzugehen. In der ersten Stunde ging es um Skizzenpapier - sehr große Bogen Papier von minderer Qualität, so groß wie eine Zeitung - und die verschiedenen Stifte und Kohlen, die es gibt. Zur zweiten Stunde kam ein Modell, und sie posierte für den Anfang zehn Minuten lang.
    Ich fing an, das Modell zu zeichnen, aber als ich ein Bein fertig hatte, waren die zehn Minuten um. Ich schaute herum und sah, daß alle anderen bereits ein vollständiges Bild gezeichnet hatten, mit Schattierungen im Hintergrund - eben das Ganze.
    Mir wurde klar, daß ich ziemlich am Schwimmen war. Aber schließlich sollte das Mädchen gegen Ende dreißig Minuten lang Modell sitzen. Ich strengte mich sehr an, und mit großer Mühe brachte ich es fertig, ihren ganzen Umriß zu zeichnen. Diesmal

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